Arundhati Roy wegen Verleumdungsklage vor Gericht

Zürich und Doha, 05.03.2002 - Die indische Schriftstellerin Arundhati Roy steht wegen einer Verleumdungsklage vor Gericht. Die Erklärung von Bern verurteilt das skandalöse Vorgehen des obersten indischen Gerichtshofs und ruft dazu auf, Protestbriefe an das Gericht zu schreiben.

Der bekannten indischen Schriftstellerin Arundhati Roy („Der Gott der kleinen Dinge“), wird vorgeworfen, am 13. Dezember 2000, vor dem Gebäude des Obersten Gerichtshofs in Delhi fünf Anwälte angegriffen und zu deren Tötung aufgerufen zu haben. Roy, die sich, wie die Erklärung von Bern, seit mehreren Jahren im Kampf gegen Grossstaudämme im indischen Narmada Tal engagiert, hatte damals zusammen mit anderen Aktivistinnen an einer friedlichen Demonstration teilgenommen, um das ökologisch und sozial unsinnige Mammutkraftwerk-Projekt zu stoppen.

Frau Roy wehrt sich heftig gegen die Anklage. Sie habe lediglich von ihrem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht und gegen das Projekt demonstriert. Auch ein Reporter, Sanjay Kak, der die gesamte Demonstration filmte, bestätigt, dass Frau Roy keinerlei aggressive Drohungen gegen die Anwälte ausgesprochen hat. Ein weiterer Aktivist, der angeblich zusammen mit Roy zur Tötung aufgerufen habe, war nicht einmal selbst an der Demonstration.

Bei ihrem ersten Gerichtstermin, am 18. August 2001, kritisierte Frau Roy die Klage als „beunruhigende Tendenz der Gerichte, Kritiker mundtot zu machen und Andersdenkende zu verfolgen und einzuschüchtern.“ Nachdem Arundhati Roy ihre Aussage nicht zurückzog, ist absehbar, dass das oberste indische Gericht am 6. März ihre Schuld feststellen und sie zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilen wird. Indische Bürgerrechtsorganisationen und internationale Nichtregierungsorganisationen kritisieren die Willkür des Vorgehens: Denn einer der fünf Kläger ist gleichzeitig Richter im Prozess gegen Roy. Der Prozess findet zudem unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

„Die Verleumdungsklage gegen Arundhati Roy ist ein Affront gegen das Recht auf Meinungsfreiheit und peinlich für das oberste Gericht eines der grössten demokratischen Staaten der Welt“, sagt Christine Eberlein von der Erklärung von Bern, welche seit Jahren mit Arundhati Roy gegen das Staudammprojekt zusammenarbeitet. „Wir fordern, dass das oberste Gericht Indiens seiner Pflicht nach Unabhängigkeit und Rechenschaft nachkommt und die Klage gegen Arundhati Roy fallen lässt“.