Die ERG hat eine grundsätzliche Anfrage zur Versicherung des umstrittenen Ilisu Staudamms erhalten

Zürich, 22.12.2005 - Die schweizerische Exportrisikogarantie (ERG) hat eine grundsätzliche Anfrage zur Versicherung des umstrittenen Ilisu Staudamms in der Türkei erhalten. Die Erklärung von Bern warnt, dass das bereits 2002 gescheiterte neue Kraftwerkprojekt nicht umwelt- und sozialverträglicher ist und nicht den Auflagen der Weltstaudammkommission entspricht, welche die Schweiz mitunterstützt.

Der Antrag an die schweizerische Exportrisikogarantie (ERG) zur Deckung von rund 200 Mio Sfr. für Ingenieurleistungen und Generatoren kommt vom schweizerischen Ilisu Konsortium, zu dem die Firmen Alstom, VA-Tech und Colenco gehören. Nach der Vernehmlassungsfrist von 60 Tagen wird die ERG das Geschäft aufbereiten und dem Bundesrat zur Entscheidung übergeben. Damit wird der Ilisu Staudamm zu einem Präzendenzfall: Denn die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) unterstützt die Nachfolgeorganisation der Weltkommission für Staudämme (WCD). Diese hatte 2000 einen Bericht veröffentlicht, unter welchen Bedingungen heutzutage Staudämme gebaut werden sollen. «Es wäre unverantwortlich, wenn sich die Schweiz einerseits im Rahmen der WCD Empfehlungen für die Mitsprache der lokalen Bevölkerung bei Staudammprojekten einsetzt und andererseits den Bau eines Kraftwerks unterstützt, das diese Empfehlungen in keinster Weise respektiert», sagt Christine Eberlein von der EvB.
Bisher weigert sich die Türkei die Grundprinzipien der WCD anzuwenden. So wurde die lokale Bevölkerung bisher nicht offiziell über den Stand des Projekts informiert, geschweige denn eingeladen, Stellung zu nehmen. Auch liegen die Umwelt- und Sozialstudien bisher nicht auf türkisch und kurdisch vor, so dass sie vor Ort nicht eingesehen werden können.

Die Erklärung von Bern, die derzeit die Umwelt- und Sozialverträglichkeit des Kraftwerks prüfen lässt, warnt, dass die Probleme des Projekts mit der Neulancierung nicht ausgeräumt sind. Immer noch wird die ländliche Bevölkerung in der Region unterdrückt und die bewaffneten Konflikte haben sich in den letzten Monaten wieder gehäuft. Die mehrheitlich kurdische Bevölkerung vor Ort traut dem neuen türkischen Umsiedlungsgesetz nicht. Mehrere Zehntausend Menschen wären von einer Umsiedlung betroffen. Viele fürchten, wie die anderen hunderttausend Menschen, die durch den Bau der bereits gebauten 15 Grosstaudämme in der Euprat-Tigris Region vertrieben wurden, erst nach Jahren und nur durch Gerichtsklagen Kompensationen zu erhalten. Auch aus ökologischer Sicht ist das Projekt höchst umstritten. Die von der EU als schützenswert dokumentierte Flussregion am Tigris beherbergt einzigartige Vogelsorten, die sehr wahrscheinlich verschwinden würden. Ebenso unwiederbringlich würde die historisch schützenswerte Kulturlandschaft der Region aus der osmanischen Zeit untergehen, die archäologische noch nicht einmal vollständig dokumentiert ist. Bisher verstösst die türkische Regierung auch gegen internationales Recht, weil die Anrainerländer Syrien und Irak, welche ebenfalls Wasser aus dem Tigris beziehen, nicht offiziell um Einverständnis angefragt wurden. Die EvB wird nach einer eingehenden Prüfung aller Projektunterlagen detailliert Stellung nehmen.