EvB fordert von Novartis sofortigen Prozessstop in Indien

Basel, 22.02.2011 - An der heutigen Generalversammlung von Novartis appelliert die Erklärung von Bern (EvB) an die Verantwortlichen des Basler Konzerns nicht weiter für ein Patent auf das Antikrebsmittel Glivec zu prozessieren. Ein offener Brief von einem internationalen NGO-Bündnis unterstreicht die schlimmen Folgen dieses Vorgehens für den Zugang benachteiligter Patienten in Indien und anderswo zu lebensrettenden Medikamenten.

2006 haben die EvB und andere NGO die Novartis-Leitung erstmals aufgefordert, ihren Einspruch vor indischen Gerichten zurückzuziehen. Trotz der dreimaligen Weigerung verschiedener gerichtlicher Instanzen, ein Patent für Glivec zu erteilen, legte der Pharmamulti im August 2009 beim höchsten Gericht Indiens erneut Berufung ein. Dieser Rechtsstreit ist bis heute hängig.

Das Streitobjekt reicht jedoch weit über die Patenterteilung für ein Krebsmittel hinaus. Mit ihrem Vorgehen bezweckt Novartis auch die Schwächung einer Klausel zur Sicherung der öffentlichen Gesundheit, welche die Erteilung von Patenten ohne Mehrwert oder den missbräuchlichen Schutz eines bereits bekannten Wirkstoffs verhindern soll. „Ohne diese Klausel im Patentgesetz wäre der Zugang zu preisgünstigen Medikamenten in der Mehrzahl der Entwicklungsländer bedroht, da Indien weltweit einer der Generika-Hauptlieferanten ist“, kommentiert EvB-Gesundheitsexperte Patrick Durisch.

Ein offener Brief an die Adresse des VR-Präsidenten Daniel Vasella verlangt zudem, dass Novartis sein aggressives Lobbying für Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums in Indien aufgibt. Diese würden gravierende Beschränkungen für den Zugang zu Arzneimitteln und die Wettbewerbsfähigkeit der Generika nach sich ziehen. Und das zu einem Zeitpunkt, wo bilaterale Freihandelsabkommen zwischen Indien und der Europäischen Union wie auch der EFTA verhandelt werden. „Es ist unverständlich, dass ein Unternehmen, das sich philanthropischer Bemühungen in den Entwicklungsländern rühmt, zugleich einen Dauerprozess führt, der den Zugang zur lebensrettenden, erschwinglichen Medikamenten gefährdet“, sagte Durisch heute an der GV.

Glivec (Imatinib Mesylat) ist ein lebensrettendes Medikament gegen eine seltene Form von Leukämie und Magen-Darm-Tumor. Das Arzneimittel kann die Krankheit zwar nicht heilen, kann aber deren Ausbreitung verhindern, sofern es lebenslänglich eingenommen wird. Die jährlichen Kosten für die Behandlung werden auf 30'000 Schweizer Franken geschätzt. Ein Generikum mit demselben Wirkstoff kostet nur 2'000 Franken. Die Mehrzahl der indischen Patienten kann sich Glivec nicht leisten. 2003 hat Novartis zwar ein Hilfsprogramm lanciert, das das Medikament bestimmten Patientenkategorien gratis zukommen lässt. Dieses Programm erreicht aber bei weitem nicht alle Bedürftige. Ein erschwinglicher Preis wäre ein viel wirksamerer und längerfristiger Ansatz, den an Leukämie Erkrankten zu helfen.