Ilisu-Staudamm: Auch der Irak kritisiert Schweizer Bürgschaft

Zürich, 25.04.2007 - Der irakische Wasserminister Latif Rashid dementiert, jemals dem Bau des Ilisu Staudamms zugestimmt zu haben. Das angebliche Einverständnis des Iraks war jedoch eine Hauptvoraussetzung, dass die Schweizer Regierung Ende März einer Exportversicherung für Lieferungen an das umstrittene Megastaudammprojekt in der Ost-Türkei zugestimmt hat.

Im heute veröffentlichten Bericht der britischen Organisation The Corner House hebt der Irakische Wasserminister Latif Rashid in einem Interview hervor: „Der Irak hat die Türkei und die Schweizer Botschaft schriftlich informiert, dass wir nicht umfassend über Ilisu konsultiert wurden und angeforderte Dokumente über Betriebsabläufe und Auswirkungen nicht erhalten haben.“ Bei einem Treffen zwischen Syrien, Irak und der Türkei am 22. März 2007 sei lediglich der Rahmen für weitere Gespräche vereinbart worden.

Die Schweiz hätte nach Völkerrecht und internationalen Standards eigentlich vor der Vergabe einer Exportrisikogarantie das Einverständnis der Anrainerstaaten abwarten müssen. Auch der Bundesrat hat am 28.3.2006 in seiner Antwort auf die Interpellation Gysin bestätigt, dass ein Entscheid über eine Exportrisikogarantie daran geknüpft werden soll, ob die Türkei ihre Informations- und Konsultationspflichten gegenüber Syrien und Irak wahrnimmt, die gerechte Nutzungsaufteilung des Wassers unter den Anrainerstaaten einhält und diesen durch die Nutzung des Tigris-Flusses keinen wesentlichen Schaden zufügt.

Doch als die Türkei drohte, Lieferaufträge statt an die Schweiz an China zu vergeben, wenn die Schweiz nicht bald zusage, hat der Bundesrat in Kauf genommen, seine eigenen Standards zu ignorieren.

Tatsächlich drohen Syrien und Irak durch die Stromgewinnung am Tigris und dem Bau eines notwendigen Auffangbeckens direkt an der Grenze eine drastische Reduzierung des Tigriswassers. Das Austrocknen weiter Landstriche und unberechenbare Flutwellen werden die Landwirtschaft am Tigris im Irak verunmöglichen und die Verarmung der betroffenen Bauern zur Folge haben.

Für die Erklärung von Bern ist das Vorgehen skandalös. „Weil der Bundesrat voreilig über die Vergabe einer Exportrisikogarantie entschieden hat, ohne verbindliche Vereinbarungen zwischen der Türkei und dem Irak abzuwarten, verstösst er gegen internationale Auflagen und seine eigenen Versprechen“, kritisiert Christine Eberlein von der EvB. „Er schafft damit einen nicht hinnehmbaren Präzedenzfall, dass Völkerrecht und parlamentarische Antworten einfach ignoriert werden können“ fürchtet die entwicklungspolitische Organisation.

Anmerkungen:

* Der Schweizer Bundesrat hatte am 29. März 2007 der Vergabe einer Exportrisikogarantie von 225 Mio Schweizer Franken an die Firmen Alstom, Maggia, Colenco und Stucki zugestimmt. Der über zwei Milliarden Franken teure Ilisu Staudamm soll den Tigris kurz vor der Grenze zu Syrien und Irak aufstauen. Beide Länder fürchten dadurch Wasserknappheit. Mindestens 12.000 Menschen müssen für den Bau umgesiedelt werden, 50 000 Menschen sind gesamthaft betroffen

* Der Ilisu Staudamm ist mit 1200 Megawatt das grösste Kraftwerkprojekt der Türkei.

* Die Exportversicherungen in der Schweiz, Deutschland und Österreich haben gemeinsam beschlossen, Exportversicherungsgesuchen an Lieferfirmen zu vergeben.

* Ilisu wird in Verbindung mit einem zweiten Auffangbecken, dem Ciszre Damm gebaut. Dieser Staudamm an der syrischen Grenze soll als Bewässerungsdamm dienen und wird dem Tigris Wasser entziehen.

* Die Exportversicherungen haben verlangt, dass die minimale Abflussmenge 60 Kubikmeter pro Sekunde beträgt. Aus den Projektdokumenten geht jedoch lediglich hervor, dass die Türkei dies direkt unterhalb des Damms sicherstellen will und nicht auch an der Grenze zu Syrien, in 60 km Entfernung.