Indischer Präzedenzfall: Novartis bedroht Zugang zu Generika

Basel, 23.02.2012 - Anlässlich der heutigen Generalversammlung in Basel verlangen die EvB, Oxfam und Act Up von Novartis die Patentklage für sein Krebsmedikament Glivec® in Indien endlich zurückzuziehen. Drei Wochen vor der Wiederaufnahme des Gerichtsprozesses weist die NGO-Koalition die Aktionäre mit einer Videoinstallation und einem kritischen GV-Votum auf die fatalen Folgen eines allfälligen Verbots von Glivec®-Generika für die betroffenen Menschen hin. Eine Petition des Internet-Kampagnennetzwerks Avaaz zu diesem Fall wurde innert weniger Tage von fast 40‘000 Personen unterzeichnet.

Schon seit 2006 führt Novartis in Indien einen verbissenen Kampf für die Patentierung seines Bestsellers Glivec®. Dieses Leukämie-Medikament kann die Krankheit zwar nicht heilen, ihr bei lebenslanger Einnahme aber Einhalt gebieten. Nach drei Fehlschlägen vor indischen Gerichten rekurriert der Basler Pharmakonzern nun beim obersten Gerichtshof. Die abschliessenden Hearings dafür sind für Mitte März in New Delhi geplant.

Der juristische Streitwert reicht jedoch weit über die Patentierung eines Krebsmittels hinaus. Novartis bezweckt auch die Schwächung einer Klausel zur Sicherung der öffentlichen Gesundheit, welche die Erteilung von Patenten ohne Mehrwert und den missbräuchlichen Schutz bereits bekannter Wirkstoffe verhindern soll. Ohne diese Klausel wäre der Zugang zu günstigen Medikamenten in vielen Entwicklungsländern bedroht, da die indische „Apotheke der Armen“ weltweit einer der Generika-Hauptlieferanten ist.

Für Patrick Durisch, Gesundheitsexperte der EvB, „verhält sich Novartis in Indien wie ein Trojanisches Pferd, das vordergründig eine Schutzklausel im Gesetz angreift, damit aber eigentlich den Rechtsweg frei machen will für die Patentierung kleiner Modifikationen an altbekannten Medikamenten. Kommt der Konzern damit durch, profitiert die gesamte Pharmaindustrie – mit fatalen Folgen für die Bedürftigen im globalen Süden.“

Hintergrund:

Glivec® (Imatinib Mesylat) ist ein lebensrettendes Medikament gegen eine seltene Form von Leukämie und Magen-Darm-Tumor. Das Arzneimittel kann die Krankheit zwar nicht heilen, kann aber deren Ausbreitung verhindern, sofern es lebenslänglich eingenommen wird. Die jährlichen Kosten für die Behandlung werden auf 30'000 Schweizer Franken geschätzt. Ein Generikum mit demselben Wirkstoff kostet nur 2'000 Franken. Die Mehrzahl der indischen Patienten kann sich Glivec nicht leisten. 2003 hat Novartis zwar ein Hilfsprogramm lanciert, das das Medikament bestimmten Patientenkategorien gratis zukommen lässt. Dieses Programm erreicht aber bei weitem nicht alle Bedürftige. Ein erschwinglicher Preis wäre ein viel wirksamerer und längerfristiger Ansatz, den an Leukämie Erkrankten zu helfen.