Myanmars Modeopfer: Menschenrechtsverletzungen in der burmesischen Boom-Branche

Ein heute publizierter Report bringt miserable Arbeitsbedingungen in Myanmars Textilindustrie ans Licht, die auch für grosse europäische Markenfirmen wie C&A und H&M produziert. Der von der niederländischen Public Eye-Partnerorganisation SOMO in Zusammenarbeit mit burmesischen NGO* recherchierte Bericht dokumentiert, wie ArbeiterInnen bei Hungerlöhnen zu Überstunden gezwungen werden, weil Fabriken den Druck durch kurze Lieferfristen und Dumpingpreise direkt an ihre Beschäftigten weitergeben. Auch Kinderarbeit und mangelnder Gesundheitsschutz sind deshalb keine Einzelfälle.

Für Public Eye sendet “The Myanmar Dilemma“ ein unüberhörbares Alarmsignal. Seit dem Ende der Wirtschaftssanktionen 2011 herrscht  in Myanmar eine regelrechte Goldgräberstimmung: Auf der Suche nach immer günstigeren Produktionsstandorten lassen Modekonzerne zunehmend in der Ex-Diktatur produzieren , ganz im Sinne eines globalen „Race to the bottom“. Auch die Schweizer Kleiderimporte aus Myanmar haben sich seit 2011 fast jedes Jahr mehr als verdoppelt. Doch statt von diesem Boom zu profitieren, leiden die Arbeiterinnen und Arbeiter unter skandalös tiefen Salärs. Selbst der gesetzliche Mindestlohn von gerade mal 2,60 CHF pro Tag wird häufig unterschritten.

Die Pionierstudie zeigt, dass Gewerkschaften in Myanmar immer noch rar sind. Viele der 400 befragten Arbeiter/innen kennen ihre diesbezüglichen Rechte nicht. Sie berichten, regelmässig mehr als 60 Wochenstunden arbeiten zu müssen, damit ihre Fabriken die immer kürzeren Lieferfristen einhalten können. Diese Überstunden werden zum Teil nicht mal entlohnt. In sechs von zwölf untersuchten Fabriken wurden Arbeiter/innen interviewt, die schon vor ihrem 15. Lebensjahr dort angefangen haben. Fast die Hälfte der Befragten hat auch keinen Arbeitsvertrag und kann ihre Probleme gegenüber dem Management nicht ansprechen – aus Angst vor Repressionen und mangels vertrauenswürdiger Beschwerdemechanismen.

In einem solch fragilen Kontext ist das Risiko von Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen extrem hoch. Der gesetzliche Schutz in Myanmar ist völlig unzureichend und die Gewerkschaften sind noch sehr schwach. Trotz Fortschritten bei der Demokratisierung hat das Militär weiter starken Einfluss. Die Ausbreitung der Textilindustrie und vor allem die Schaffung neuer Exportzonen birgt zudem die Gefahr, dass Landrechte missachtet werden.

Textilfirmen, die dennoch in Myanmar produzieren lassen, sind um so mehr in der Pflicht, all diese Risiken gründlich zu analysieren. Vor Auftragsvergaben müssen sie gemeinsam mit ihren Lieferanten sicherstellen, dass die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter garantiert sind, einschliesslich der Zahlung existenzsichernder Löhne. In Myanmar prominent vertretene Industriegrössen wie C&A und H&M haben dabei eine besondere Verantwortung. Der Bericht zeigt eindrücklich, dass diese von vielen Unternehmen bisher gravierend vernachlässigt wird.

Mehr Informationen im Film "The Myanmar Dilemma" oder bei Oliver Classen, Sprecher von Public Eye, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch

*Action Labor Rights (ALR) wurde 2002 gegründet und setzt sich für die Schaffung unabhängiger Gewerkschaften und die Ächtung von Zwangs- und Kinderarbeit in Myanmar ein. Die Labour Rights Defenders & Promoters (LRDP) wiederum haben burmesische Menschenrechtsaktivist/innen 2010 in Thailand gegründet.

Hintergrund zur Studie Für die Untersuchung wurden zwischen Februar und Juni 2016 total 403 Arbeiter/innen aus 12 Fabriken in Yangon, Bago und Pathein interviewt. Ferner wurden Gespräche mit anderen relevanten Akteuren geführt, darunter Gewerkschaften aus Myanmar, internationale Gewerkschaftsverbände, lokale und internationale NGOs, internationale Organisationen (darunter auch die ILO), der Myanmar Garment Manufacturers Association, der Fair Wear Foundation, der Ethical Trading Initiative und Markenfirmen, die in Myanmar produzieren lassen. Allen im Bericht genannten Unternehmen wurde die Möglichkeit gegeben, zu Vorabversionen der Studie Stellung zu nehmen.