Offener Brief an Jiang Zemin zum Drei-Schluchten-Staudamm

Zürich, 24. März 1999 - Anlässlich des aktuellen Staatsbesuchs in der Schweiz richtet die Entwicklungsorganisation Erklärung von Bern einen offenen Brief zum Drei-Schluchten-Projekt an den chinesischen Staatspräsidenten Jiang Zemin. Sie weist darin auf die aktuellen Probleme des Projekts hin und spricht sich gegen eine Beteiligung der Schweiz an der zweiten Bauphase aus.

An einer Medienkonferenz von Menschenrechtsgruppen zum Besuch des chinesischen Staatspräsidenten in der Schweiz veröffentlichte die Erklärung von Bern (EvB) am 24. März Mittwoch einen offenen Brief an Jiang Zemin. Die Entwicklungsorganisation drückte darin ihre Besorgnis aus, dass "die sozialen, technischen und ökologischen Probleme des Projekts bisher die Befürchtungen übertreffen". "Es gibt mehr Leute, mehr Korruption, weniger Land und weniger Arbeitsplätze, als sich irgend jemand - selbst ein Pessimist – je vorstellte", zitiert der Brief einen Bericht der Zeitung "South China Morning Post".

Während die Landknappheit - unter anderem wegen der Erosion und der Steilheit des Geländes - beängstigend ist, nimmt die Zahl der Betroffenen laufend zu. Behördenmitglieder sprechen unterdessen von 1,98 Millionen Umsiedlungsopfern. Die grassierende Korruption erschwert die Umsiedlung zusätzlich, indem die betroffenen Personen die Projektverantwortlichen bestechen müssen, um zu ihren Entschädigungsgeldern zu kommen. Wie der offene Brief ausführt, drückten mehr als 10'000 Betroffene ihren Zorn in einer Petition an die Zentralregierung aus. Nach einer Inspektionsreise ins Projektgebiet entliess Premierminister Zhu Rongji über 100 Verantwortliche und stellte 200 neue Inspektoren ein. An der Medienkonferenz in Bern erinnerte EvB-Mitarbeiter Thierry Pellet an die "Mitverantwortung der Schweiz für diese Probleme". Die Firma ABB sicherte sich 1997 den Auftrag für die Lieferung von acht Generatoren für das grösste Kraftwerk der Welt. Der Bundesrat versicherte den Auftrag mit einer Exportrisikogarantie von mehr als 200 Millionen Franken. Die Credit Suisse beteiligte sich mit 66 Millionen Dollar an einer US-amerikanischen Anleihe zugunsten des Projekts. Die Firma ABB ist gemäss Pellet interessiert, weitere Generatoren für eine zweite Bauphase des Kraftwerks zu liefern. In ihrem offenen Brief bestätigte die Erklärung von Bern ihre Absicht, jegliche zusätzliche Beteiligung der Schweiz am Drei-Schluchten-Projekt - in Form von "weiteren Lieferungen, Krediten oder Garantien" - zu bekämpfen.