Schweizer „Steuerwende“: Manifest gegen Steuerflucht und Steuerdumping

Zürich, 19.11.2009 - Die Erklärung von Bern, Attac und das Denknetz lancieren gemeinsam mit engagierten Personen die Deklaration «Steuerwende», die von über 100 Erstunterzeichnenden aus Politik, Wissenschaft und Kultur unterstützt wird. Diese fordern unter anderem ein sofortiges Ende der Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug sowie den automatischen Informationsaustausch mit ausländischen Steuerbehörden. Auf www.steuerwende.ch werden dafür ab heute Unterschriften gesammelt. Damit wird der Schweiz eine Stimme verliehen, die sich für eine gerechtere Steuerpolitik einsetzt.

Trotz einiger Zugeständnisse unter dem Druck der USA und der OECD hat in der Schweizer Politik und bei den offiziellen Vertretern der Bankenwelt kein Umdenken stattgefunden. Darüber können auch die neuesten Absichtserklärungen aus Bankenkreisen nicht hinwegtäuschen, wonach man sich vom Geschäft mit Steuerfluchtgeldern verabschieden wolle. Die Gretchenfrage des Finanzplatzes, ob die Schweiz genug unternimmt, um sich den Bevölkerungen und Regierungen anderer Länder gegenüber endlich fair zu verhalten, wurde bislang nicht beantwortet.

Auch die Probleme der Entwicklungsländer, die durch die Steuerflucht in die Schweiz entstehen, sind längst nicht gelöst. Denn erstens haben viele dieser Staaten gar kein Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz. Und zweitens ist die Neuverhandlung eines bestehenden Abkommens erst mit einem Land (Indien) im Gange. «Mit dem Geld, das die Entwicklungsländer jedes Jahr durch Steuerflucht in die Schweiz verlieren, liessen sich 500'000 Lehrer ausbilden, bezahlen und auch gleich noch 500'000 neue Klassenzimmer bauen», sagt Andreas Missbach, Finanzexperte der Erklärung von Bern. Die Schweiz müsse sich auf den automatischen Informationsaustausch mit den Steuerbehörden aller demokratischen Rechtsstaaten verpflichten. Dies sei internationaler Standard und nur so könne Steuerhinterziehung wirksam unterbunden werden, so Missbach weiter.

Die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug führt aber auch in der Schweiz zu eklatanter Ungerechtigkeit. Im Gegensatz zu jenen Ländern, die ein Abkommen nach OECD-Standard haben oder bekommen, erhalten die kantonalen Behörden nämlich weiterhin keinen Einblick in die Bankkonten möglicher Steuerhinterzieher. «In der Schweiz werden fast ein Viertel aller Einkommenssteuern hinterzogen, Konsumierende und Lohnabhängige hingegen bezahlen einen wachsenden Teil der Steuereinnahmen», sagt Beat Ringger, geschäftsleitender Sekretär des Denknetzes.

Die Gruppe Steuerwende fordert daher, dass Steuern wieder vermehrt bei hohen Einkommen, Vermögen und Kapitalgewinnen erhoben werden und will eine grundsätzliche Diskussion über die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. «Wir müssen aufhören, uns von so genannt leeren Staatskassen erpressen zu lassen. Sie sind nur eine Strategie für den Sozialabbau», sagt Roman Kuenzler, Mitglied der Steuerkommission von Attac Schweiz.

Mit dem von vielen Bundesparlamentarierinnen und –Parlamentariern, Gewerkschaftern, Wissenschaftlerinnen und Schriftstellern unterzeichneten Manifest «Steuerwende» ist die überfällige Debatte um die internationale und nationale Verantwortung der Schweizer Steuerpolitik lanciert. Die Gruppe Steuerwende prüft alle möglichen Instrumente zur Durchsetzung der Steuerwende, auch eine Volksinitiative.

Weitere Informationen auf www.steuerwende.ch