Über 30‘000 Schweizer Stimmen für Existenzlohn in der globalen Textilindustrie

Zürich, 08.10.2010 - Die Web-basierte Aufklärungsaktion der EvB/CCC hatte durchschlagenden Erfolg: In neun Kampagnenwochen gingen via www.10rappen.ch bei 39 Firmen insgesamt 31‘425 Protestnoten ein. Jede Firma stand während einer Woche im Fokus. Am meisten besorgte Mails von Konsumierenden erhielt die Outdoorfirma The North Face, gefolgt von H&M, Helly Hansen, Calida und Zara.

Konsumierende wollen keine Kleider, die zu Hungerlöhnen hergestellt werden: Das belegt die Zahl von 31‘425 Protesten in nur neun Wochen eindrücklich. Viele der angeprangerten Firmen beruhigten Ihre Kundschaft auf deren Nachfrage damit, dass sie sich an die gesetzlichen Mindestlöhne halten. Dass diese in den Produktionsländern jedoch kein menschenwürdiges Leben ermöglichen, verschweigen sie. Mit ihrer Kampagne www.10rappen.ch hat die EvB/CCC, auf diesen strukturellen Missstand in der Bekleidungsindustrie aufmerksam gemacht und so den Lohnmythos aus den Marketingabteilungen der Kleiderfirmen entlarvt.

Die Vielzahl der aufgeführten Firmen auf der Kampagnenwebsite zeigt zudem, dass teurere Produkte nicht automatisch zu einem besseren Lohn hergestellt werden. Firmen wie Globus, Schild oder Esprit verpflichten sich ebenso wenig zur Bezahlung eines Existenzlohnes wie C&A, Migros oder Chicorée.

Wie verzweifelt die Arbeiterinnen der Bekleidungsindustrie angesichts von Hungerlöhnen und steigenden Nahrungsmittelpreisen sind, zeigten die jüngsten Proteste in Kambodscha, wo vom 13.-16. September 2010 über 200‘000 Näherinnen in über 100 Fabriken für bessere Bezahlung streikten. In der Folge wurden mehrere hundert Gewerkschafter und Arbeiterinnen entlassen. Auch in Bangladesch gingen diesen Sommer Tausende Näherinnen auf die Strasse. Trotz 80prozentiger Lohnerhöhung verdienen die Textilarbeiter dort mit dem neuen Mindestlohn monatlich nur 3000 Taka, was gerade mal 28 Prozent der von den Gewerkschaften errechneten Ausgaben deckt. Für mittelschwere körperliche Arbeit wird ein täglicher Kalorienbedarf von rund 3000 Kalorien veranschlagt. In Bangladesch basiert der gesetzliche Mindestlohn auf einer Kalorienzufuhr von lediglich 1700 Kalorien. Mit einem gesetzlichen Mindestlohn von 1.3 US$ in Bangladesch und 2 US$ pro Tag in Kambodscha gehören die beiden Ländern zu den billigsten Produktionsstandorten der globalen Textilindustrie.

Die Clean Clothes Campaign (CCC) setzt sich für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der globalen Bekleidungsindustrie ein. Sie unterhält nationale Kampagnen in 14 europäischen Ländern und ein Netzwerk von 250 Organisationen weltweit. In der Schweiz wird die CCC-Arbeit von der Erklärung von Bern koordiniert und von 19 nationalen NGO mitgetragen. www.cleanclothes.ch

Die Asia Floor Wage Campaign (AFW) ist ein Zusammenschluss von rund 70 Gewerkschaften, NGOs und Wissenschaftlerinnen aus Bangladesch, China, Hong Kong, Indien, Indonesien, Malaysia, Pakistan, Sri Lanka, Thailand, Europa und den USA. In einer gemeinsamen globalen Kampagne fordert die AFW die Bezahlung eines minimalen Existenzlohnes von 475 PPP$ für alle asiatischen Arbeiterinnen in der Bekleidungsindustrie. www.asiafloorwage.org

Existenzlohn – AFW-Modell
Prinzipien eines Existenzlohnes sind, dass dieser in der normalen Arbeitszeit erreicht werden kann (meist 48h/Woche), für alle Angestellten gilt (also nicht ein Maximal-, sondern ein Minimallohn), den Bedarf der Arbeiterin und zumindest eines Teil ihrer Familie deckt sowie ein kleines, frei verfügbares Einkommen übrig lässt.
Der von der AFW berechnete Existenzlohn basiert auf einem Warenkorb, der den täglichen Bedarf von 3000 Kalorien pro Person deckt und drei sogenannte Konsumationseinheiten beinhaltet. Erwachsene werden dabei mit einer ganzen, Kinder mit einer halben Konsumationseinheit berechnet. Der Lohn reicht also z.B. für die Mutter, zwei Kinder, und die Grossmutter, die während der Arbeitsabwesenheit der Mutter die Kinder beaufsichtigt. Die Ausgaben für die Nahrungsmittel sollen mit 50% des Lohnes abgedeckt werden, weitere 50% werden für Non-Food-Ausgaben wie Miete, Transport, Schulgeld, medizinische Versorgung sowie für ein kleines, frei verfügbares Einkommen eingesetzt.