WTO: Ärmste Länder geben illegitimem Schweizer Druck nach

Zürich/Genf, 10.06.2013 - Der TRIPS-Rat der Welthandelsorganisation (WTO) befindet diese Woche darüber, ob und wie lange die “Least Development Countries“ (LDC) die WTO-Anforderungen zum geistigen Eigentum nicht umsetzen müssen. Obwohl der LDC-Antrag auf unbefristete Befreiung rechtlich wie moralisch legitim ist, hat ihn die Schweiz abgelehnt. Die Erklärung von Bern (EvB) verurteilt diese Missachtung des Rechts auf Entwicklung.

Im Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS) wurde den besonderen sozioökonomischen Bedürfnissen und Erfordernissen der LDC-Gruppe (die am wenigsten entwickelten Länder*) bislang explizit Rechnung getragen. So sieht Artikel 66.1 dieses Abkommens vor, auf Antrag der LDC die Befreiung von den TRIPS-Verpflichtungen ohne weitere Bedingungen zu verlängern. Eine solche Befreiung, die Patente wie auch Urheberrechte und alle übrigen Formen geistigen Eigentums umfasst, wurde den LDC seit Inkrafttreten des Abkommens 1995 bereits zweimal gewährt, allerdings jeweils nur für befristete Zeit und unter gewissen Bedingungen. Diesmal fordern die ärmsten Länder hingegen eine so lang währende Verlängerung, bis sie nicht mehr zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Welt gehören.

Diese Ausnahmeregelung ist für das schiere Überleben und die Respektierung der Menschenrechte in den LDC entscheidend, sei es für den Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu Saatgut oder zu Bildung. Der Tatsache, dass der Schutz geistigen Eigentums ein Entwicklungshemmnis einer Volkswirtschaft sein kann, trägt das TRIPS-Abkommen durch diese LDC-Befreiung Rechnung. Mangels eigener Ressourcen und Innovationen wird es noch Jahrzehnte dauern, bis auch die ärmsten Länder von den verbindlichen Regeln zum geistigen Eigentum profitieren können.

Dessen ungeachtet wollte die Schweiz gemeinsam mit den meisten anderen reichen Länder nur eine befristete Verlängerung gewähren. Unter massivem Druck dieser Industriestaaten haben nun die ärmsten Länder im Vorfeld der morgen beginnenden TRIPS-Sitzung bei informellen Vorverhandlungen einer auf acht Jahre befristeten Verlängerung zugestimmt. Die EvB kritisiert die Schweiz für ihre Weigerung, dem legitimen Antrag der LDC für eine unbefristete Verlängerung vorbehaltlos zuzustimmen und ist enttäuscht, dass unser Land einmal mehr seine eigenen Interessen (respektive die seiner globalisierten Unternehmen) über das existentielle Recht der ärmsten Länder auf Entwicklung gestellt hat.

* Der Ausdruck „am wenigsten entwickelte Länder“ bezeichnet eine von der UNO definierte Kategorie, die 49 – mehrheitlich afrikanische – Länder umfasst, die über das tiefste Niveau bezüglich menschlicher und sozioökonomischer Ressourcen verfügen. 34 davon sind WTO-Mitglieder.