Die eigennützige Interpretation der Biodiversitätskonvention durch die Universität Lausanne

Nicht-Regierungs-Organisationen (NGO) aus Zimbabwe und der Schweiz kritisieren die Art und Weise, wie sich die Universität Lausanne Zugang zu genetischen Ressourcen aus Zimbabwe verschaffte, und die Verhandlungen über die Aufteilung des Nutzens (Benefit-Sharing) führte. Auch äussern die NGO Bedenken an der Rechtmässigkeit des Patentes, welches Professor Kurt Hostettmann von der Universität Lausanne, mit Hilfe von traditionellem Wissen, auf bestimmte Wirkstoffe des Swartzia madagascariensis Baumes, in den USA erhalten hat.

Community Technology and Development Association (CTDA), Zimbabwe
Zimbabwe National Traditional Healers Association (ZINATHA)
Erklärung von Bern, Schweiz

Dieser Fall ist ein weiterer Beweis, dass die Vorgaben der Biodiversitätskonvention bei der Suche nach genetischen Ressourcen in südlichen Ländern immer noch missachtet werden. François Meienberg von der Erklärung von Bern: „Während sich die Schweizer Regierung für klare Richtlinien betreffend Zugang zu genetischen Ressourcen und eine faire Aufteilung des Nutzens einsetzt, verschafft sich eine schweizerische Universität auf illegale Weise Zugang zu Ressourcen in Zimbabwe“. Am 27. Juli 1999 erhielt Kurt Hostettmann das Patent USS 5'020'124 für „antimicrobial diterpenes“, Wirkstoffe, die mit Hilfe von traditionellem Wissen in der Wurzel des im tropischen Afrika heimischen Baumes „Swartzia madagascariensis“ gefunden wurden. Bereits drei Jahre zuvor, im Januar 1996, unterschrieben die Universität Lausanne und der amerikanische Pharmakonzern Phytera ein gemeinsames Materialtransfer- und Vertraulichkeits-Übereinkommen, worin Phytera eine Lizenz-Option für die exklusive und weltweite Vermarktung des antimikrobiellen Wirkstoffes zugesprochen wurde. Ein Zusatz zu diesem Übereinkommen legte 1997 zudem fest, dass die Universität Lausanne von Phytera Lizenzgebühren in der Höhe von 1,5% der Nettoeinnahmen des Produkteverkaufs erhält. Die Hälfte dieser Einnahmen sollen mit dem Botanischen Garten sowie mit der Pharmazeutischen Fakultät der Universität in Zimbabwe geteilt werden.

Die obenerwähnten NGO kritisieren den Deal aus folgenden Gründen:

  • Weder der Staat Zimbabwe noch die beteiligten Naturheiler waren korrekt über die Verwendung des Wirkstoffes informiert worden und haben auch nie ihr notwendiges Einverständnis für den Zugang zu den genetischen Ressourcen gegeben. Die Biodiversitätskonvention, die von Zimbabwe und der Schweiz 1992 unterzeichnet wurde, legt fest: „der Zugang zu genetischen Ressourcen bedarf der auf Kenntnis der Sachlage gegründeten vorherigen Zustimmung (prior informed consent) der Vertragspartei, die diese Ressourcen zur Verfügung stellt...“. In Zimbabwe liegt die Entscheidungskompetenz über den Zugang zu genetischen Ressourcen beim Umweltministerium. Doch dieses hat weder einen Vertrag mit der Universität Lausanne unterzeichnet noch hat sie das Mandat der Universität Zimbabwe übergeben, über welche die Universität Lausanne den Zugang zu den Ressourcen erhielt.
  • Die Organisation afrikanischer Staaten sieht in einem Mustergesetzesentwurf zur Regulierung des Zugangs zu genetischen Ressourcen vor, dass der „prior informed consent“ des Staates und der betroffenen lokalen Gemeinschaft notwendig ist. Die für den „prior informed consent“ verlangten Informationen sollen die wirtschaftlichen, sozialen, technischen, wissenschaftlichen, umwelttechnischen etc. Nutzen beinhalten, die aus der Nutzung der Ressourcen erwartet oder vermutet werden sowie Vorschläge für Mechanismen und Arrangements für das „benefit sharing“ vorsehen.
  • Die Universität Lausanne verschaffte sich Zugang zu den genetischen Ressourcen und dem traditionellem Wissen, ohne dass betroffenen Akteure (traditionelle Heiler, lokale Gemeinschaften, der Staat Zimbabwe) die nötigen Informationen dazu erhielten. „Wir haben nie unsere Einwilligung zu diesem Handel gegeben“, erklärt Prof. G. Chavunduku, Präsident der Vereinigung für traditionelle Heiler (ZINATHA), welcher der Universtität Zimbabwe Proben traditioneller Medizin für Analysezwecke zur Verfügung stellte. “Die Idee war, die Eigenschaften der Medizin, die während Jahrhunderten von traditionellen Heilern benutzt wurden, zu bestätigen“.
  • Es wurden keine Regelungen für die gerechte und ausgewogene Aufteilung der Nutzung vereinbart. Eine von der Universität Zimbabwe und der Universität Lausanne unterschriebene Vereinbarung legt zwar fest, dass ein allfälliges Patent – sofern ein Produkt gefunden würde, das den Patentschutz verlangt – gemeinsam ausgehandelt werden soll. Der Vorsitzende der pharmazeutischen Fakultät Zimbabwe betont jedoch, dass sie an den Verhandlungen zwischen der Universität Lausanne und dem Pharmakonzern Phytera nicht beteiligt waren (was im Widerspruch steht mit der Vereinbarung, Artikel F). Ohne eine Zustimmung von den Akteuren in Zimbabwe erhalten zu haben, machten die Universität Lausanne und Phytera aus, dass 0,75% der Lizenzgebühren von den Nettoeinnahmen des Produkteverkaufs nach Zimbabwe fliessen soll. Der ausgemachte Prozentsatz ist, verglichen mit anderen Benefit-Sharing Übereinkommen, gering. In der Fachliteratur werden durschnittliche Lizenzgebühren an Nettoverkäufen für Material mit zusätzlichen ethnobotanischen Informationen mit 1-4% angegeben (ten Kate/Laird 1999). Einzelne Beispiele reichen bis zu 50% (Vertrag der ETH Zürich und Venezuela). Im Falle von „Swartzia madagascariensis“ muss die geringe Gewinnbeteiligung noch mit einem Vermittler, der Universität Lausanne, geteilt werden.

Aufgrund der illegalen Aneignung der Ressourcen sollte das Patent ungültig erklärt werden. Doch da die Patentämter bis zum heutigen Tag keine Auskunft über die Herkunft des involvierten Materials verlangen, wird Biopiraterie durch die geltenden Patentregelungen immer noch unterstützt. Ausserdem muss untersucht werden, ob der Wirkstoff die Bedingungen für ein Patent (z.B. Neuartigkeit) erfüllt, oder ob es sich in erster Linie um von Professor Hostettmann gestohlenes traditionelles Wissen handelt. „Falls es sich herausstellt, dass das Patent traditionelles Wissen und keine neuartige Erfindung beinhaltet, sind die involvierten NGO bereit, das Patent vor dem amerikanischen Patentamt anzufechten“ sagte Andrew Mushita, Direktor der Community Technology and Develpment Association (CTDA) in Zimbabwe. 

Ein Dokumentarfilm, der in diesem Sommer vom Schweizer Fernsehen ausgestrahlt wurde, lässt den Verdacht aufkommen, dass Professor Hostettmann auch bei anderen Bioprospecting-Projekten (wie zum Beispiel der Suche nach einem natürlichen Viagra im Auftrag von Novartis) die Biodiversitätskonvention verletzt. Der Pharmakonzern Phytera war bereits 1996 in die Schlagzeilen geraten, als Phytera Verträge mit Botanischen Gärten in Europa abschliessen wollte, ohne eine Gewinnbeteiligung für die Ursprungsländer der Pflanzen vorzusehen. Dieses Angebot, das nichts anderes als ein Versuch war, die Biodiversitätskonvention zu umgehen, wurde dann auch von verschiedenen Botanischen Gärten in Deutschland zurückgewiesen.

Die Erklärung von Bern, CTDA und ZINATHA fordern, dass die Universität Lausanne mit Zimbabwe einen Vertrag aushandelt, der den Zugang und die gerechte und ausgewogene Aufteilung des Nutzens im Sinne der Biodiversitätskonvention regelt. Daran sollen alle Interessengruppen in Zimbabwe beteiligt sein. Ausserdem verlangen die NGO, dass der Vertrag zwischen der Universität Lausanne und Phytera annulliert und dass das Patent zurückgezogen wird.