Internationale Kritik am Freihandelsabkommen EFTA-Indien

Drei Vertreter indischer Nichtregierungsorganisationen wurden Anfang Oktober 2008 von der Erklärung von Bern (EvB) und Alliance Sud in die Schweiz eingeladen.

Unmittelbarer Anlass war der Beginn von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Indien. Das von der EvB und Alliance Sud organisierte Expertentreffen zwischen den indischen Gästen und VertreterInnen verschiedener Bundesämter hatte zum Ziel, der indischen Zivilgesellschaft Gehör beim Schweizer Verhandlungsteam zu verschaffen. Während des dreitägigen Besuchs reiste die indische Delegation auch nach Genf, um sich mit VertreterInnen internationaler NRO zu treffen und Möglichkeiten des Widerstands gegen die bilateralen Freihandelsabkommen zu diskutieren. Auch MitarbeiterInnen der EvB und von Alliance Sud nutzten die Gelegenheit, um sich mit den Vertretern der indischen Zivilgesellschaft auszutauschen und gemeinsame Aktionen zu planen.

Smitu Kothari, indischer Aktivist und Direktor der NRO "Intercultural Resources", kritisierte das bestehende Demokratiedefizit beim Verhandlungsprozess in Indien. Er verurteilte die mangelnde Transparenz des Prozesses sowie die fehlende Konsultation des Parlaments und der Regierungen der Bundesstaaten. „Es ist äusserst wichtig, dass solche Abkommen fundamentale Werte wie soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung einbeziehen und den Bedürfnissen der grossen Mehrheit der Bevölkerung Rechnung tragen. Dies erfordert die aktive Beteiligung aller Betroffenen.“ Die EvB schloss sich der Kritik der indischen Seite an und wies darauf hin, dass mangelnde Transparenz und Mitsprache bei den Freihandelsabkommen nicht nur in der grössten, sondern auch in der ältesten Demokratie ein Problem darstellt.

Sein Kollege David Kadam, Direktor von Swissaid in Indien, zeigte sich insbesondere besorgt über die absehbaren negativen Konsequenzen des Freihandelabkommens für die Landwirtschaft, von der rund 70 Prozent der Bevölkerung leben. Er befürchtet, dass mit einer weiteren Liberalisierung der indischen Wirtschaft die ländliche Armut und Ungleichheit ansteigen werden.

Diese Gefahr illustrierte Gopa Kumar von der Organisation „Third World Network“ anhand der schweizerischen Forderungen nach verstärktem Schutz von Geistigen Eigentum. Dadurch würde der Zugang der indischen Bauern und Bäuerinnen zu Saatgut erschwert, kritisierte er. Die geforderte Erhöhung des Patentschutzes, so Kumar weiter, dürfte auch die Verfügbarkeit von lebensnotwendigen Medikamenten in Indien verschlechtern und – aufgrund Indiens Rolle als wichtige Exporteur von Generika – in vielen anderen Entwicklungsländern zu einer deutlichen Verschlechterung der Gesundheitsversorgung besonders für die ärmeren Bevölkerungsschichten führen.

Auf völliges Unverständnis stiess bei den Gästen aus Indien die schweizerische Forderung nach einer weiteren Liberalisierung des indischen Finanzsektors – inmitten der grössten Finanzkrise der letzten Jahrzehnte.

Forderungen

Die EvB teilt die Kritik der indischen Zivilgesellschaft am geplanten Freihandelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Indien und fordert von der Schweizer Verhandlungsdelegation:

  • Vorabstudien zu den möglichen sozialen und ökologischen Auswirkungen des Freihandelsabkommens,
  • erhöhte Transparenz des Verhandlungsprozesses und breit angelegte Konsultationen der zivilgesellschaftlichen Organisationen – hier und in Indien,
  • den umfassenden Einbezug der Parlamente bei der Vorbereitung der Verhandlungsposition,
  • verbesserte Kohärenz zwischen der schweizerischen Entwicklungspolitik und ihren Forderungen im Rahmen bilateraler Freihandelsabkommen
  • den Verzicht auf Forderungen im Bereich der geistigen Eigentumsrechte,
  • keine weitere Öffnung des indischen Finanzmarktes zu verlangen.