TRIPS-Positionspapier

Positionspapier von François Meienberg zum Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (TRIPS)

Schweizer Koordination gerechter Welthandel
Coordination Suisse-OMC

1. Einführung

Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte an geistigem Eigentum (im weiteren nach der englischen Abkürzung TRIPS Abkommen genannt), ist eines der Abkommen, welche im Rahmen der GATT Uruguay-Runde verhandelt wurden und 1995 schliesslich zur Gründung der WTO führten. Es waren die Industrieländer, tatkräftig unterstützt von der Lobby der Pharma- und Agrochemiekonzerne, die sich gegen den Willen der Mehrzahl der Entwicklungsländer für die Globalisierung des Immaterialgüterrechts stark machten. Die Länder des Südens haben letztendlich die Forderungen der Industrienationen akzeptiert, insbesondere auch, weil sie sich im Rahmen des Gesamtpakets Vorteile im Agrar- und Textilsektor erhofften. Hoffnungen die bis heute zum grössten Teil nicht erfüllt wurden. Das TRIPS-Abkommen regelt den internationalen Umgang beinahe aller möglichen Instrumente zum Schutz geistigen Eigentums. Es sind dies unter anderen: Urheberrechte und verwandte Schutzrechte, Marken, geografische Angaben und Patente. Das ordentliche Überprüfungsverfahren des ganzen Abkommens folgt 5 Jahre nach Inkrafttreten (d.h. 2000). Zu diesem Zeitpunkt müssen auch Entwicklungsländer (mit Ausnahme der am wenigsten entwickelten Länder) das Abkommen auf nationaler Ebene umgesetzt haben. Die allermeisten Länder des Südens konnten diesen Fahrplan nicht einhalten. Im Gegensatz zu anderen Abkommen der WTO baut das TRIPS-Abkommen keine Schutzvorkehrungen ab, sondern zwingt die Mitgliedstaaten, neue Schutzvorkehrungen einzuführen. Die Rechte an geistigem Eigentum zielen darauf ab, den technologischen Vorsprung der Industrieländer auf lange Zeiträume hinaus sicherzustellen und zu gewährleisten, dass die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung durch das Erreichen möglichst grosser Absatzmärkte amortisiert werden können. Verboten wird dadurch die Praxis der technologischen Nachahmung, welche während der Jahrhundertwende besonders der Schweiz und später auch diversen asiatischen Staaten zu wirtschaftlichem Aufschwung verhalf. Dieses Vorgehen, das für viele Staaten des Südens für ihre wirtschaftliche Entwicklung von grosser Bedeutung ist, soll nicht mehr zugestanden werden. Dabei wird von den Mitgliedländern verlangt, den Patentschutz auch für solche Produkte zu gewährleisten, die bis anhin keinem Patenschutz oder gar einem expliziten Patentierungsverbot unterstanden. Dies gilt z.B. auch für Pharmaka, wo Patente die Versorgung der Bevölkerung mit preiswerten Produktimitationen verunmöglichen und somit den Preis der Gesundheitsversorgung nach oben treiben. Dies führt zu Krankheits- und Todesfällen, die vermeidbar wären. Patente auf Pflanzen und Saatgut beschneiden das jahrtausendealte Bauernrecht , aus der Ernte eigenes Saatgut zu gewinnen und gefährden durch die daraus entstehende Monopolisierung des Saatguthandels die Nahrungssicherheit der Weltbevölkerung. Durch den erschwerten Zugang zu Saatgut oder Medikamenten besteht die Gefahr, dass das TRIPS-Abkommen elementare Menschenrechte beschneidet (Recht auf Nahrung, Recht auf Gesundheit). Zudem beinhaltet das aktuelle TRIPS-Abkommen keinerlei Regelungen, um Verstösse gegen die Biodiversitätskonvention zu unterbinden. Im Gegenteil: die vermehrte Patentierung von biologischem Material und damit verbundenen traditionellen Wissens (z.B. im Bereich traditioneller Heilmittel) wird zu einem Anstieg von Biopirateriefällen führen. Das TRIPS-Abkommen fördert somit die unrechtmässige Aneignung genetischer Ressourcen des Südens durch den Norden. Besonders umstritten war bereits während der Verhandlungen der Artikel 27.3b, der die Ausnahmen der Patentierbarkeit regelt. Er sieht vor, dass „Pflanzen und Tiere mit Ausnahme von Mikroorganismen, sowie im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren, mit Ausnahme von nichtbiologischen und mikrobiologischen Verfahren“, von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden können. Werden Pflanzensorten von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, müssen sie zumindest durch ein wirksames System eigener Art (Sui Generis) geschützt werden. Die diversen Ausnahmen öffnen insbesondere der Patentierung gentechnologisch veränderter Organismen Tür und Tor. Der Schutz von geistigen Eigentumsrechten auf lebenden Organismen ist für viele Länder des Südens neu und widerspricht ihrer gegenwärtigen Praxis und ihrem politischen Willen. Die Meinungsverschiedenheiten bei der Formulierung des Art. 27.3b führten dazu, dass eine Bestimmung in den Text eingefügt wurde, die ein spezielles Überprüfungsverfahren dieser Regelung 4 Jahre nach Inkrafttreten (d.h. 1999) verlangt.   

2. Forderungen

Im Rahmen der Überprüfung des Artikel 27.3b des TRIPS Abkommens der WTO (seit 1999) sowie des Abkommens als Ganzes (seit 2000), fordert die Koordination Gerechter Welthandel, das Abkommen mit folgender Zielsetzung zu überarbeiten:

  • Mögliche negative Auswirkungen des Abkommens auf die Ernährungssicherheit, die Gesundheitsversorgung, das Geschlechterverhältnis sowie die Umwelt, insbesondere auf die ökologischen und kulturellen Aspekte der biologischen Vielfalt, sind durch Änderungen des Vertragstextes auszuschliessen.
  • Den Bedürfnissen und Möglichkeiten der Länder des Südens sowie der Bauern und Bäuerinnen ist besser Rechnung zu tragen.
  • Artikel, welche den Zielsetzungen anderer internationaler Abkommen, insbesondere der Biodiversitätkonvention und dem International Undertaking der FAO, entgegenlaufen, müssen revidiert werden.
  • Die Souveränität über eigene genetische und natürliche Ressourcen ist zu garantieren. 

2.1. Überprüfung des Artikels 27.3b

In Übereinstimmung mit den Vorschlägen der Gruppe Afrikanischer Staaten und aufgrund der dargelegten Zielsetzungen fordern wir bei der laufenden Überprüfung des Artikels 27.3b folgende Punkte aufzunehmen:

  • Verfahren: Bevor über inhaltliche Punkte diskutiert werden kann, muss über den Rahmen des Überprüfungsverfahrens Einigkeit herrschen. Insbesondere Staaten des Nordens plädierten für eine blosse Überprüfung der Umsetzung des Art. 27.3b. Staaten des Südens verlangen jedoch auch eine inhaltliche Diskussion des Textes. Sie haben dazu bereits konkrete Änderungsvorschläge eingereicht. Es muss klargestellt werden, dass nicht die Umsetzung des Artikels, sondern, wie im Artikel selbst klar festgehalten, die Bestimmungen des Artikels überprüft werden.
  • Umsetzungsfristen: Da das Überprüfungsverfahren erst begonnen hat, wäre es widersinnig, die Umsetzung von Artikel 27.3b bis zum 1. Januar 2000 zu verlangen. Vielmehr gilt es, den Staaten des Südens genügend Zeit für die Entwicklung eigener Sui Generis-Systeme einzuräumen und den Entscheid über ein International Undertaking nicht mit widersprechenden Gesetzgebungen auf nationaler Ebene zu präjudizieren. (Über das International Undertaking, welches unter anderem den Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und die sogenannten Farmers Rights regeln soll, wird zur Zeit im Rahmen der FAO verhandelt). Die Staaten des Südens sollten die Möglichkeit haben, Studien über mögliche Auswirkungen verschiedener Optionen durchzuführen. Wir fordern deshalb, dass die Umsetzungsfrist für Art. 27.3b für Entwicklungsländer auf 5 Jahre nach dem Ende der Überprüfung festgesetzt wird.
  • Patente auf Leben: Patente auf Leben führen zu einer Monopolisierung in heiklen Sektoren wie Ernährung und Gesundheitsversorgung und können somit grosse Bevölkerungsgruppen von der lebenswichtigen Grundversorgung ausschliessen. Zudem kann durch die Patentierung von Leben auch der züchterische Fortschritt und die medizinische Forschung gebremst werden. Wir fordern deshalb den Ausschluss von Patenten für Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikrorganismen sowie von ihren Bestandteilen, wie auch von sämtlichen natürlichen Prozessen, die zur Erzeugung von Tieren, Pflanzen und anderen lebenden Organismen dienen. Es ist wichtig, auch die nichtbiologischen und mikrobiologischen Verfahren auszuschliessen, da sonst jedes Land verpflichtet wäre gentechnisch veränderte Lebewesen zu patentieren und die Patentierungsausnahme für Pflanzen und Tiere wieder unterminiert würde.
  • Bauernrechte: Für die Bauern weltweit ist die Erhaltung der Bauernrechte (Farmers Rights), insbesondere dem Recht, aus der Ernte eigenes Saatgut zu gewinnen und es frei mit anderen Bauern zu tauschen oder weiterzuverkaufen, von zentraler Wichtigkeit. In einzelnen Ländern beträgt der Anteil von Saatgut aus eigenem Anbau und von getauschtem Saatgut noch bis zu 80 Prozent. Auch das Recht, die Nutzung der Pflanzen und des dazugehörenden Wissens zu kontrollieren, sowie das Recht auf einen ausgewogenen Anteil des Nutzens, der aus dem Gebrauch der pflanzengenetischen Ressourcen hervorgeht, darf durch das TRIPS-Abkommen nicht eingeschränkt werden. Es soll deshalb unter Art 27.3b explizit festgehalten werden, dass die Mitgliedsländer in einem Sui Generis System die Bauernrechte aufrechterhalten können.
  • Kohärenz mit der Biodiversitätskonvention: Das Ziel der Biodiversitätskonvention ist es, die Vielfalt der genetischen Ressourcen zu schützen und sie nachhaltig zu nutzen. Ein grossen Stellenwert hat dabei die genaue Regelung für den Zugang zu den genetischen Ressourcen, für deren Umsetzung sich auch die Schweiz einsetzt. Dabei soll insbesondere das Wissen lokaler und indigener Gemeinschaften besser geschützt werden, die bis heute massgeblich an der Erhaltung der Vielfalt beteiligt waren (Art 8j CBD). Damit diese Ressourcen und das damit verbundene Wissen nicht weiterhin in einem Akt der Biopiraterie im Norden patentiert werden, soll das TRIPS-Abkommen dahingehend verändert werden, dass alle Mitgliedsländer verpflichtet sind, dieses Wissens, analog der Prinzipien der Biodiversitätskonvention zu schützen.  

2.2. Überprüfung des gesamten Abkommens

Nach der festgelegten Übergangfrist von 5 Jahren begann im Frühjahr 2000 die Überprüfung des gesamten Abkommens, die insbesondere die Umsetzung auf nationaler Ebene kontrolliert. Wir verlangen, dass dabei auch folgende Forderungen integriert werden:

  • Schaffung einer ständigen Arbeitsgruppe für den Zugang zu Arzneimitteln: Die Arbeitsgruppe soll einen Rahmen definieren, der es erlaubt, bei der Interpretation und Weiterentwicklung der WTO-Abkommen sowie in den Streitschlichtungsverfahren vor der WTO die Interessen der öffentlichen Gesundheit und das Recht der Menschen auf Zugang zu lebenswichtigen Arzneimitteln gegenüber dem Schutz des geistigen Eigentums zu stärken.
  • Art. 7, 8.2 und 66.2 Förderung des Technologie-Transfers: Die Ziel- und Grundsatzartikel des TRIPS-Abkommens erwähnen die Förderung des Technologietransfers. Art 66.2 erwähnt die Schaffung von Anreizen, um den Technologietransfer in die am wenigsten entwickelten Mitgliedstaaten zu fördern. normal">Im Rahmen der Überprüfung haben die Staaten des Nordens nachzuweisen, wie sie diese Artikel zum Nutzen der Entwicklungsländer umsetzen.
  • Art. 23 Schutz geografischer Angaben: Um den Schutz geografischer Angaben zu erleichtern, sieht Art. 23.4. Verhandlungen für ein multilaterales System der Notifikation und der Eintragung geografischer Angaben für Weine vor. Damit der Schutz geografischer Angaben auch vermehrt den Staaten des Südens zu Gute kommen kann, verlangen wir die Ausweitung der Abkommens auf landwirtschaftliche Produkte und handwerkliche Erzeugnisse.
  • Art. 31 Zwangslizenzen: Zwangslizenzen können es den Ländern des Südens ermöglichen, negative Auswirkungen des TRIPS-Abkommens auf die Ernährungssicherheit, die Gesundheitsversorgung, die Umwelt oder den Technologietransfer zu lindern. Ein wichtiges Beispiel dafür ist die Produktion von preiswerten Produktimitationen bei Medikamenten (Generika). Es ist deshalb wichtig, bei einer Überprüfung des TRIPS-Abkommens die Erteilung von Zwangslizenzen zu erleichtern. Dafür ist Absatz 31 g) vorbehaltlos zu streichen, der bei Erfolg die Erlaubnis zur Benutzung wieder aufheben möchte. Da in kleinen Binnenmärkten die Produktion z.B. von Generika nicht wirtschaftlich durchgeführt werden kann, muss der Handel zwischen Staaten, welche eine bestimmte Zwangslizenz für ein Produkt erlassen haben, ermöglicht werden. Deshalb muss Absatz 31 f) gestrichen werden, der eine solche Benutzung vorwiegend auf den Binnenmarkt beschränken möchte.
  • Art 64.3 Verlängertes Moratorium für die Streitbeilegungsvereinbarung: Die Erfahrungen, die bisher mit dem TRIPS-Abkommen gesammelt werden konnten, sind noch sehr gering. Viele Staaten haben erst mit der Umsetzung des Abkommens begonnen. Das Streitbeilegungsverfahren, welches ursprünglich für die Liberalisierung des Handels mit Gütern – und nicht für Schutzbestimmungen – entwickelt wurde und die Möglichkeit von Sanktionen vorsieht, soll deshalb im TRIPS-Abkommen bis auf weiteres nicht angewendet werden. Artikel 64.3 sieht diese Möglichkeit, das bestehende Moratorium zu verlängern, explizit vor normal">. Die Auflösung des Moratoriums soll dann zu gegebener Zeit per Konsens beschlossen werden.
  • Art 67 Technische Zusammenarbeit: Die Verpflichtung der Industrieländer, Ländern des Südens technische Zusammenarbeit anzubieten und sie bei der Umsetzung des Abkommens zu unterstützen, soll regelmässig überprüft und von den Entwicklungsländern eingefordert werden können. Dabei müssen die Interessen der Länder des Südens im Mittelpunkt stehen. Durch die Zusammenarbeit sollen sie ermächtigt werden, die Flexibilität des Abkommens zu ihrem Vorteil auszunützen.