Umherirrende Schweizer Giftschiffe

Chinas Nein zu verschmutztem Öl oder wenn Schweizer Firmen ihren Dreck nicht mehr loswerden …

Vergangene Woche meldete die Nachrichtenagentur Reuters, dass die chinesischen Zollbehörden den Import von kontaminiertem russischem Rohöl verboten haben. Mindestens drei Supertanker von Schweizer Rohstoffhändlern – zwei von Vitol und einer von Glencore – mussten daraufhin umkehren. Das Öl ist mit Chlor verschmutzt, es enthält 10- bis 20-mal mehr von der gefährlichen Substanz als in Russland erlaubt. Organische Chlorverbindungen werden gebraucht, um die Förderanlagen zu reinigen und so den Output zu steigern. Normalerweise werden sie entfernt, bevor das Öl in die Pipeline gepumpt wird. 

Das dreckige schwarze Gold führte nach Ostern in ganz Europa zu einer Störung der Ölversorgung. Die europäischen Raffinerien, welche das russische Öl sonst verarbeiten, weigerten sich diese Ladungen abzunehmen, weil das Chlor Katalysatoren und andere Raffinerie-Einrichtungen beschädigt. Es kann nur verarbeitet werden, wenn es zuvor sehr stark mit sauberem Rohöl verdünnt wird. Dass solches „Blending“, also das Mischen um Dreck loszuwerden, eine gängige Branchenpraxis ist, haben wir mit unserer Studie „Dirty Diesel“ über das Treibstoffgeschäft der Schweizer Händler in Afrika gezeigt.  

Zu schmutzig für Europa – auf China spekuliert 

Ob Vitol und Co. das Öl gekauft haben, als bereits bekannt war, dass es kontaminiert ist oder ob auch sie davon überrascht wurden, ist nicht bekannt. Ein bewusster Kauf ist allerdings nicht unwahrscheinlich, gehört „quality arbitrage“ (auf Deutsch etwa: „Ausnutzen von Qualitätsunterschieden“) doch zum Geschäftsmodell im Ölhandel. Sicher ist, dass die Schweizer Trader ihre Ladung in China loswerden wollten. Offiziell, weil sie darauf spekulierten, dass die chinesische Regierung einen Teil ihrer gigantischen strategischen Ölreserve fürs Verdünnen hergeben könnte.  

Daraus wurde jetzt aber durch das „Méiyǒu“ (Nein) des chinesischen Zolls nichts. Vitols Suezmax-Tanker „Chios I“ ist unterwegs umgekehrt und nun auf dem Weg zurück nach Europa. Die „Sonangol Ranger“ – ebenfalls von Vitol - hängt in der Strasse von Malakka fest und Glencores „Amyntas“ schipperte nach Singapur statt China.  

Billiger als die Entsorgung von Giftmüll 

Da gab es doch mal diese Geschichte mit einem umherirrenden Tanker?! Die „Probo Koala“ von Trafigura hatte eine Odyssee durch das Mittelmehr hinter sich, bevor sie 2006 ihre toxische Ladung in der Elfenbeinküste loswurde. „Price arbitrage“ war das damals, es war halt deutlich billiger als die korrekte Entsorgung des Giftmülls in Europa. Über 100‘000 Menschen bezahlten dafür mit ihrer Gesundheit. Wo werden die Tanker von Vitol und Glencore wohl stranden? 

"Dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser, wos weniger guet geit" (Mani Matter)

Andreas Missbach arbeitet seit 2001 zu Banken, Rohstoffhändlern und zur Verantwortung von Unternehmen für die Einhaltung der Menschenrechte. Langweilig wird ihm dabei nie und die Arbeit geht ihm leider auch nicht so schnell aus.

Kontakt: andreas.missbach@publiceye.ch
Twitter: @ahmissbach

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