Korruptions-Bekämpfung: Verpasste Chance für die Schweiz
Zürich/Lausanne, 12. Mai 2016
Nach dem weltweiten Skandal rund um die Panama Papers fiel die Erklärung, die heute an der Gipfelkonferenz zur Korruptionsbekämpfung verabschiedet wurde, recht ambitioniert aus: Firmen, die in erster Linie verschleiern sollen, wer hinter ihnen steckt, sollen künftig keine Existenzberechtigung mehr haben. Denn zum ersten Mal wurde an einem hochrangig besetzten Gipfel festgehalten, dass es für die Korruptionsbekämpfung entscheidend ist, die wirtschaftlich Berechtigten von Gesellschaften öffentlich zu machen. Die teilnehmenden Staaten taten auch ihren Willen kund, Steuerhinterziehung zu bekämpfen und jene zu bestrafen, die diese erleichtern. Die Gipfel-Erklärung zeigt, dass die bestehenden rechtlichen Mechanismen nicht ausreichen und erweitert werden müssen, wenn die Korruption wirksam bekämpft werden soll.
Die „Panama Papers“ haben einmal mehr die Rolle der Schweiz in der weltweiten Korruption und Steuerhinterziehung aufgezeigt, Trotzdem schob die Schweiz in ihrer Erklärung zum Londoner Gipfel die Verantwortung in erster Linie auf die Länder des Südens ab und betonte, die Schweiz habe ihre Gesetze längst den internationalen Standards angepasst. In Bezug auf die wirtschaftlich Berechtigten von Firmen signalisierte sie zwar Bereitschaft, mit ausländischen Behörden Informationen auszutauschen – aber nur von Fall zu Fall. Zur Forderung nach einem öffentlichen Zugang zu diesen Informationen äusserte sie sich nicht. Die Mitteilung des EDA nennt auch keine konkreten Massnahmen, mit denen gegen die Beihilfe zur Steuerhinterziehung vorgegangen werden soll. Statt bei der internationalen Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung voran zu gehen, will die Schweiz offenbar zuwarten, bis sie die internationale Entwicklung zwingt, Massnahmen zu ergreifen.
In einem Punkt jedoch geht die Schweiz über die gemeinsame Gipfel-Erklärung hinaus: Sie will zusammen mit Grossbritannien nach Wegen für mehr Transparenz bei Zahlungen von Rohstoffhändlern an Regierungen suchen. Sollte ein solcher Standard eingeführt werden, müssten auch Schweizer Rohstoffhändler künftig öffentlich machen, welche Zahlungen sie für den Kauf von Öl oder Erzen an Regierungen rohstoffreicher Länder leisten. Diese Summen sind enorm: Gemäss einer Studie von Swissaid, NRGI und der EvB aus dem Jahr 2014 haben Schweizer Händler zwischen 2011 und 2013 Zahlungen an die Regierungen der zehn wichtigsten ölproduzierenden Länder in Subsahara-Afrika geleistet, die 12% der Staatseinnahmen und dem Doppelten der Entwicklungshilfegelder für diese Länder entsprechen. Die Möglichkeit, mehr Transparenz im Rohstoffhandel zu schaffen, böte sich bei der Revision des Aktienrechts, die Ende Jahr ans Parlament gehen wird.
Mehr Informationen
Olivier Longchamp, Erklärung von Bern, +41 21 620 03 09, longchamp@ladb.ch
Lorenz Kummer, Swissaid, +41 79 307 25 92, l.kummer@swissaid.ch