Trotz Verbot: mehr als 1‘000 konventionell gezüchtete Pflanzensorten von Patenten betroffen

Nach aktuellen Recherchen der Koalition «No Patents on Seeds» sind in Europa bereits mehr als 1‘000 konventionell gezüchtete Pflanzensorten von Patenten betroffen, obwohl es laut europäischen Gesetzen solche Patente gar nicht geben dürfte. Als Folge davon werden Züchter*innen in ihrer Handlungsfreiheit immer mehr eingeschränkt, was sich negativ auf die Innovation auswirkt und zu einer steigenden Konzentration der Saatgutbranche führt. Die Schweizer Mitgliedorganisationen von «No Patents on Seeds» – ProSpecieRara, Swissaid, Public Eye und Biorespect – fordern deshalb, dass das Europäische Patentamt und die Schweiz endlich wirksame Massnahmen treffen.

Der neue Bericht «Zukunft der europäischen Pflanzenzucht in Gefahr» gibt einen Überblick über die zunehmende Anzahl erteilter Patente und Patentanmeldungen mit Ansprüchen zur konventionellen Pflanzenzüchtung in Europa. Diese betreffen u.a. Brokkoli, Tomaten, Melonen, Spinat, Salat, Mais, Weizen und Gerste. Patentanmelder sind vor allem internationale Agrochemie-Konzerne, z.B. Bayer, BASF, Syngenta und Corteva, aber auch einige traditionelle Züchtungshäuser wie Rijk Zwaan und KWS. Verlierer sind die kleineren und mittleren Züchtungsunternehmen, deren Zugang zum Ausgangsmaterial für die Zucht durch Patente zunehmend erschwert wird.

Perfide Strategien zur Umgehung des Patentverbots

Die Unternehmen benutzen dabei verschiedene Strategien, um das bestehende Patentverbot zu umgehen. So fügen sie häufig spezifische Formulierungen in die Patentanmeldungen ein, die den Einsatz gentechnischer Verfahren suggerieren. Doch die im Bericht berücksichtigten Patente zeigen, dass diese technischen Verfahren in den meisten Fällen gar nicht angewandt wurden und für die Entwicklung der gewünschten Pflanzen nicht notwendig sind. In anderen Fällen beinhalten die Patentanmeldungen einen Anspruch auf ein Pflanzenmerkmal und einen bestimmten natürlich vorkommenden Genotyp, unabhängig von der Methode, die bei dem Verfahren angewandt wird. Um Patente dieser Art zu verhindern, hat «No Patents on Seeds» im Mai Einspruch gegen ein Patent der deutschen Firma KWS beim Europäischen Patentamt (EPA) erhoben. Das Patent beansprucht Mais, der zum Anbau in kälteren Regionen besonders geeignet ist. Dieser Mais wurde jedoch mithilfe von Pflanzen gezüchtet, die bereits dafür bekannt waren, dass sie gegenüber kälteren Anbaubedingungen tolerant sind.

Beispielhaftes Patentgesetz in Österreich

Um das Problem zu lösen, ist die Politik gefordert. Jüngst wurde in dieser Hinsicht ein Erfolg erzielt: Das Parlament in Österreich verabschiedete ein nationales Patentgesetz, das Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen ausdrücklich verbietet. «No Patents on Seeds» sieht in diesem Gesetz eine Vorlage für andere nationale Patentgesetze und für Entscheidungen des Verwaltungsrats des Europäischen Patentamtes. In der Schweiz wurde vor zehn Monaten eine Kommissionsmotion an den Bundesrat überwiesen, welche mehr Transparenz bei den Patentrechten im Bereich der Pflanzenzucht fordert. Dies wäre ein wichtiger Schritt für die Schweizer Züchter*innen – weitere werden, analog der Gesetzgebung in Österreich, folgen müssen, um die Innovationsfähigkeit und letztlich die Vielfalt zu sichern.

Medienkontakte für weitere Informationen:

Der vollständige Bericht Zukunft der europäischen Pflanzenzucht in Gefahr

Weitere Informationen zum Einspruch gegen das Mais-Patent von KWS

Informationen zur neuen österreichischen Gesetzgebung