Appell an WHO-Mitglieder für gerechten Zugang zu medizinischen Technologien gegen Covid-19

Im Kampf gegen die aktuelle Pandemie müssen die Staaten bei künftigen Medikamenten und Impfstoffen gegen das Corona-Virus schnell und entschlossen eine faire Aufteilung und erschwingliche Preise garantieren, und zwar auf globalem Niveau. Deshalb unterstützt eine breite NGO-Koalition, darunter Public Eye, den Vorschlag von Costa Rica zur Etablierung eines auf Gegenseitigkeit beruhenden Mechanismus durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dieser soll die Beseitigung aller Hindernisse beim Patentrecht und Datenaustausch ermöglichen, welche die technologische Entwicklung von Mitteln gegen Covid-19 behindern oder verzögern können.
© WHO, März 2020

In einem offenen Brief appelliert Public Eye zusammen mit 70 anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen und Persönlichkeiten an die Mitgliedsstaaten der WHO, also auch die Schweiz, die Forderung von Costa Rica nach Zusammenlegung der Rechte auf alle medizinischen Technologien, die es zur Vorbeugung, Entdeckung und Behandlung von Covid-19 brauchen wird. Ein solcher Mechanismus würde den Zugang zu und die gerechte Aufteilung von Tests, Medikamenten, Impfstoffen und anderer medizinischer Ausstattung garantieren. Als globale Schnittstelle wäre die WHO dann befugt, vorhandene Lizenz- und Patentrechte sowie alle für die Produktion und Genehmigung notwendigen Daten je nach regionalem Bedarf umzuverteilen.

Noch existiert zwar keine offiziell freigegebene Behandlung gegen das Corona-Virus, doch zahlreiche Wirkstoffe werden bereits intensiv getestet. Darunter befinden sich neue Moleküle wie Remdesivir der US-Firma Gilead, aber auch bereits gegen Infektionskrankheiten zugelassene Präparate, das Immunsuppressiva Actemra von Roche oder ein Anti-Malariamittel wie Chloroquin. Parallel dazu wird unter Hochdruck nach künftigen Impfstoffen geforscht. Die Grundlagen für diese medizinischen Innovationen verdanken wir massiven staatlichen oder philanthropischen Investitionen, weshalb man sie konsequenterweise auch als öffentliche Güter betrachten und allen zugänglich machen müsste. In globalen Krisenzeiten dürfen Exklusivitätsrechte den Kampf gegen die Pandemie nicht behindern.

Obschon auch Remdesivir das Resultat staatlich finanzierter Forschung ist, hat Gilead den Wirkstoff patentieren lassen und sucht auch anderweitig kommerzielle Vorteile, zum Beispiel durch die offizielle Anerkennung als «Arznei gegen seltene Krankheiten» (orphan drug). Diese aggressive Vermarktung zeigt, dass Pharmakonzerne auch angesichts Covid-19 nicht von ihrem auf Monopoldenken und Profitmaximierung beruhenden Geschäftsmodell abrücken.

Die Staaten, welche die Forschung gegen den Pandemie-Erreger derzeit hauptsächlich finanzieren (die Schweiz unter anderem mit 5 Mio. Franken für ein Nationalfondsprojekt), müssen von den Firmen deshalb erschwingliche Preise für zugelassene Endprodukte einfordern und gegen Verstösse sofort juristisch vorgehen. Sollte der Zugang zu patentierten Behandlungen nicht garantiert sein, müssen sie zudem Zwangslizenzen erteilen, wie das Israel bereits getan hat und von Chile und Ecuador aktuell erwogen wird. Mit Deutschland und Kanada haben jüngst auch zwei G-20-Staaten die gesetzlichen Weichen für die Anwendung dieses gesundheitspolitischen Instruments gestellt.

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