Madegassische Saphire: Für die Mineure ein Fluch, für Schweizer Juweliere ein Segen

Madagaskar ist heute die Hauptquelle für die Saphire von Schweizer Schmuck- und Uhrenmarken wie Bucherer, Richemont oder Gübelin. Doch der madegassische Staat und die Zehntausenden von Bergleuten, die häufig von Hand und unter Lebensgefahr arbeiten, profitieren kaum von diesem Bodenschatz. Kinderarbeit, Hungerlöhne, illegaler Export: Eine vom Public Eye Investigation Award unterstützte Feldrecherche zeigt den Fluch des farbigen Edelsteins für die ostafrikanische Insel und die mangelnde Sorgfalt von Schweizer und anderen Unternehmen bei dessen Einkauf.

Mehrere Monate lang folgte die Journalistin Julie Zaugg den Spuren der bei Schweizer Juwelieren und Uhrenherstellern enorm begehrten Saphire aus Madagaskar. Ihre Recherchen führten sie in die handwerklichen Minen von Ilakaka, einem sich über 4000 km2 erstreckenden Gebiet, das eines der weltgrössten Vorkommen dieses Edelsteins beherbergt. In dieser sonnenversengten Marslandschaft durchwühlen Zehntausende von Menschen jeden Tag die rote Erde in der Hoffnung, durch einen Fund ihrer Armut zu entkommen. Schon Kinder im Vorschulalter helfen ihren Eltern dabei, den in ungesicherten Stollen gesammelten Schutt zu sortieren und zu waschen. 15-Jährige steigen bereits selbst in diese lebensgefährlichen Löcher hinab. Die von Zaugg gesammelten Aussagen und Bilder erzählen von der üblen Kehrseite des vor 25 Jahren ausgebrochenen Saphir-Fiebers in Madagaskar, wo immer noch 70% der Bevölkerung von weniger als 2 Dollar pro Tag leben müssen.

Laut einer Statistik der Vereinten Nationen hat die ostafrikanische Insel im Jahr 2022 offiziell Edelsteine (Rubine, Smaragde und Saphire) im Wert von gerade mal 60’179 US-Dollar exportiert. Tatsächlich jedoch werden laut diverser Schätzungen jährlich Saphire im Wert von etwa 150 Millionen Dollar aus Madagaskar ausgeführt. Der Grund für diese groteske Diskrepanz liegt in einem parallelen Exportsystem, das trotz Gesetzeswidrigkeit von den meisten ausländischen Käufern genutzt wird. Diese zumeist aus Sri Lanka, Thailand, aber auch der Schweiz stammenden Zwischenhändler verschiffen die Rohsteine unter Umgehung des Zolls und mit Hilfe von Bestechungsgeldern nach Sri Lanka und Thailand, wo sie erst geschliffen und dann mit grossem Gewinn weiterverkauft werden. So gelangen die farbigen Edelsteine zuletzt zu Luxusmarken wie dem Genfer Konzern Richemont (dem unter anderem Cartier gehört), dem Luzerner Unternehmen Bucherer (das kürzlich von Rolex übernommen wurde), Harry Winston (das zum Swatch-Imperium gehört) oder dem Luzerner Juwelier Gübelin.

Die von Public Eye mit der dritten Ausgabe seines Investigation Awards finanziell ermöglichte Reportage zeigt auch die Herausforderungen in Sachen Rückverfolgbarkeit und die unzureichenden freiwilligen Massnahmen auf, mit denen Schweizer Schmuck- und Uhrenunternehmen sicherstellen wollen, dass die Edelsteine auf sozial- und umweltverträgliche Weise abgebaut werden. Auf Nachfrage geben die meisten Marken zu, dass es diesbezügliche Probleme in ihren Lieferketten gibt, verweisen aber auf interne Kontrollverfahren.

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Oliver Classen, Mediensprecher, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch

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