Pestizidvergiftungen in Yavatmal: Syngenta entzieht sich ohne Wiedergutmachung seiner Verantwortung

Die Mediation zwischen fünf Nichtregierungsorganisationen und Syngenta wegen mutmasslicher Pestizidvergiftungen in Indien ist gescheitert. Der Nationale Kontaktpunkt der Schweiz für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen hat die Mediation ergebnislos beendet. Der Schweizer Chemiekonzern weigerte sich, auch nur zu erörtern, ob sein Pestizid Polo die in der Beschwerde behaupteten Vergiftungen verursacht hatte. Es konnte keine Einigung erzielt werden – weder über die Wiedergutmachung des Schadens, den Dutzende von indischen Bauernfamilien erlitten, noch über Massnahmen zur Vermeidung künftiger Vergiftungen. Dies zeigt erneut, dass es verbindliche Regeln braucht, um Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, bevor sie entstehen.

Im Herbst 2017 erlitten im zentralindischen Bezirk Yavatmal Hunderte von Landwirten und Landarbeitern beim Besprühen von Baumwollfeldern mit Pestiziden schwere Vergiftungen. 23 von ihnen starben. Während Syngenta weiterhin jede Verantwortung für die Vorfälle abstreitet, zeigen offizielle polizeiliche Dokumente der örtlichen Behörden, dass 96 Vergiftungsfälle im Zusammenhang mit einem Syngenta-Insektizid mit dem Namen Polo protokolliert wurden. Zwei dieser Fälle endeten tödlich.

Im September 2020 reichten die Maharashtra Association of Pesticide Poisoned Persons (MAPPP), das Pestizid-Aktionsnetzwerk Indien (PAN India) und Asien-Pazifik (PAN AP), das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und Public Eye eine Beschwerde beim Nationalen Kontaktpunkt (NKP) der Schweiz für die OECD-Leitsätze ein. In der Beschwerde forderten wir, dass Syngenta den 51 betroffenen Landwirten eine finanzielle Entschädigung gewährt und sinnvolle Massnahmen ergreift, um zukünftige Vergiftungen zu verhindern.

Im Dezember 2020 nahm der NKP die Beschwerde an, woraufhin im Jahr 2021 vier Mediationssitzungen stattfanden. Das Verfahren endete jetzt ohne Einigung. «Nach vier Jahren mühseliger Anstrengungen, dieses internationale Forum zu erreichen, sind die Landwirte und ihre Familien zutiefst enttäuscht und verzweifelt, dass kein greifbares Ergebnis erzielt wurde», sagt Dewanand Pawar im Namen von MAPPP, einer Organisation, die Opfer von Pestizidvergiftungen unterstützt.

Syngenta beteuerte wiederholt, dass es aufgrund eines Gerichtsverfahrens vor einem Schweizer Zivilgericht nicht darüber sprechen könnte, ob Polo die in der Klage behaupteten Vergiftungen verursacht hatte. Der NKP bestätigte die Position von Syngenta und erlaubte der Firma, sich hinter einem laufenden Gerichtsverfahren zu verstecken, das unabhängig von der Beschwerde beim NKP von einem Überlebenden eines schweren Vergiftungsfalls und den Familien von zwei verstorbenen Landwirten angestrengt wurde.

Dies steht im Widerspruch zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen und den Zugang zu effektiver Wiedergutmachung für Opfer sicherzustellen, sei ein «wesentlicher Bestandteil» der Pflichten eines Staates, vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen zu schützen, so der UN-Hochkommissar für Menschenrechte in einem kürzlich veröffentlichten Bericht. «Die Gruppe der 51 Landwirte und ihre Familien sollten nicht ihres Rechts beraubt werden, in einem aussergerichtlichen Verfahren Wiedergutmachung zu beanspruchen, nur weil eine andere Gruppe von Opfern eine Zivilklage eingereicht hat», sagt Marcos Orellana, UN-Sonderberichterstatter für Giftstoffe und Menschenrechte. «Das beendete Verfahren unterstreicht die Schwächen der nationalen Kontaktpunkte für die OECD-Leitsätze.»

Die Forderung der 51 Landwirte und der fünf Nichtregierungsorganisationen, Syngenta müsse eine wichtige Bestimmung des Internationalen Verhaltenskodex für den Umgang mit Pestiziden umsetzen, um künftige Vergiftungen in Indien zu verhindern, blieb unbeantwortet. Der Kodex verlangt von den Unternehmen, dass sie vermeiden, gefährliche Produkte wie Polo – deren Handhabung und Anwendung den Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung) erfordert, welche zu teuer, nicht ohne weiteres verfügbar oder unter den örtlichen Bedingungen unpraktisch ist – an Kleinanwender und Landarbeiter in Ländern mit tropischem Klima wie Indien zu verkaufen.

Das NKP-Verfahren, wie es heute in der Schweiz zur Anwendung kommt, zeigt einmal mehr die Unzulänglichkeiten dieser aussergerichtlichen Mechanismen, die sich ganz auf den guten Willen der Unternehmen verlassen und damit nicht in der Lage sind, den Opfern von Menschenrechtsverletzungen Gerechtigkeit zu verschaffen. Überaus beunruhigend ist, dass der NKP der Schweiz sich prinzipiell weigert, in solchen Fällen festzustellen, ob ein Unternehmen gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen verstossen hat.

Weitere Informationen:

Christa Luginbühl, Fachleitung Gesundheit-Konsum-Landwirtschaft, christa.luginbuehl@publiceye.ch, +41 79 461 46 40

Abschlusserklärung NKP