Petrobras-Skandal: Schweizer Rohstoffriesen bezahlten zweifelhafte Mittelsmänner

Glencore, Trafigura und Vitol haben mit Petrobras zwischen 2003 und 2015 Transaktionen im Wert von mindestens 20 Milliarden Dollar abgeschlossen. Recherchen von Public Eye und der britischen NGO Global Witness belegen Kommissionszahlungen von Glencore und Vitol an Mittelsmänner, die in mutmasslich korrupte Zahlungen an Funktionäre der halbstaatlichen brasilianischen Ölgesellschaft verwickelt sind. Diese exklusiven Enthüllungen zeigen, dass nicht nur Schweizer Banken in diesen Skandal verwickelt waren und unterstreichen die unrühmliche Rolle unseres Landes im grössten Korruptionsfall der jüngsten Geschichte.

Seit vier Jahren schon beschädigt die auch unter dem polizeilichen Namen «Lava Jato» (Waschanlage) bekannte Petrobras-Affäre das Image des Schweizer Finanzplatz. Die mangelnde Sorgfalt bei der Anwendung des Geldwäschereigesetzes hat die Bundesanwaltschaft zur Eröffnung von über 100 Strafverfahren veranlasst. Konkret geht es um 43 Schweizer Banken und mehr als 1000 Konten, über die im Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen zwischen Petrobras, Firmen aus dem Privatsektor und zweifelhaften Geschäftevermittlern mehr als eine Milliarde Franken geflossen sind, von denen einzelne Amtsträger wie auch politische Parteien in Brasilien profitierten. Nach diesen «Spielregeln» funktionierte laut dem Bundesrichter und baldigen Justizminister Sérgio Moro «ein gigantischer krimineller Plan».

Bei ihren Ermittlungen gegen diese «Waschanlage» haben die brasilianischen Ermittler auch die Verträge zwischen den drei grössten Schweizer Rohstoffhandelsfirmen und Petrobras für den Kauf und Verkauf von Rohöl und raffinierten Produkten untersucht. Wie Recherchen von Public Eye und Global Witness erstmals zeigen, werden direkt oder indirekt von Glencore und Vitol bezahlte Mittelsmänner verdächtigt, Schmiergelder an Petrobras’ Ex-Direktor Paulo Roberto Costa bezahlt zu haben. Ein substantieller Teil dieser Kommissionen gingen auf ein Genfer Konto von Costas Schwiegersohn bei der Bank Lombard Odier. Mit anderen brisanten Justizdokumenten belegt Global Witness, dass Trafigura mit einem von der brasilianischen Presse jetzt «Doyen der Korruption» genannten Partner einen Petrobras-Vertrag für Öllieferungen verhandelt hat, der dann aber nicht zustande kam. Drei dieser Mittelsmänner gehören laut der Justiz zu «Brasil Trade», einem kriminellen Netzwerk, dass für «Verbrechen zum Schaden von Petrobras, vor allem durch Korruption» verantwortlich ist. Die drei Schweizer Rohstoffkonzerne bestreiten jegliche Beteiligung an Bestechungshandlungen.

Gemäss Aussagen von zwei Schlüsselfiguren interessierte sich die brasilianische Bundespolizei bereits seit August 2016 für die Ölhandelsgeschäfte von Petrobras. Der Spitzenpolitiker Delcidio do Amaral bezeichnete diesen Sektor in seinem Schuldgeständnis als «fruchtbares Terrain für illegale Praktiken». Und ein Ex-Topmanager von Petrobras gab zu Protokoll: «Aus einigen Rappen Gewinn im täglichen Handelsgeschäft können sich am Ende des Monats Millionen an Schmiergeldern ergeben.»

Die Wahl vom 28. Oktober des rechtsextremen Jair Bolsonaro zum brasilianischen Präsidenten ist zum Teil die politische Konsequenz aus diesem gigantischen Skandal, zu dem der Wirtschaftsstandort Schweiz massgeblich beigetragen hat. Lava Jato steht beispielhaft für die wichtige Rolle von unserem Finanz- und Rohstoffplatz in der transnationalen Korruption. In seiner Bewertung des Schweizer Dispositivs zur Korruptionsbekämpfung bedauerte die OECD diesen März, dass „die getroffenen Massnahmen nicht wirksam, verhältnismässig und abschreckend sind“. Von derselben Adresse kommt auch die Empfehlung an die Schweizer Behörden, den Schweizer Rohstoffhandel «einer angemessenen und rechtsverbindlichen Regulierung» zu unterziehen.

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