Stevia: 260'000 Unterschriften gegen die Biopiraterie von Coca-Cola

Eine von über 260'000 Personen unterzeichnete Petition fordert Coca-Cola dazu auf, mit den Guaraní eine gerechte Aufteilung jener Gewinne auszuhandeln, die der Konzern mit Produkten auf Stevia-Basis erzielt. Dessen Süsswirkung hatten die südamerikanischen Guaraní-Völker bereits vor Jahrhunderten entdeckt. Die im November 2016 lancierte Petition wird Coca-Cola heute in Paris übergeben. Nachdem der US-Konzern zunächst jegliche Verhandlungen abgelehnt hat, lädt er Public Eye und Partner nun zu einem Dialog ein. Ein paar Tage zuvor hat ebenfalls in Paris die erste Gesprächsrunde zwischen einigen Hauptproduzenten und -Nutzern von Stevia-basierten Süssstoffen und die Guaranyi vertretende NGOs stattgefunden – mit vielversprechenden Ergebnissen.

Coca-Cola ist einer der bedeutendsten Nutzer von Steviolglykosiden, den süssenden Molekülen, die aus der Steviapflanze gewonnen werden. In seiner Werbung für Coca-Cola Life nimmt der Getränkeriese zwar Bezug auf das traditionelle Wissen der Guaraní, doch auf deren Anliegen für eine Vorteilsaufteilung ist er bisher nicht eingetreten. Auf Druck der Öffentlichkeit – symbolisiert durch über 260'000 Unterschriften aus der ganzen Welt – hat der US-Konzern Public Eye und Partner-NGOs nun zu einem Gespräch eingeladen. Dieses findet heute in Anwesenheit des International Stevia Council statt und ist ein erster Schritt hin zur Einhaltung der Biodiversitätskonvention und des Nagoya-Protokolls. Beide Abkommen sprechen indigenen Völkern das Recht auf eine gerechte Aufteilung der Vorteile zu, die aus der kommerziellen Nutzung ihres Wissens hervorgehen.

Stevias Süsswirkung entdeckt haben die in der Grenzregion zwischen Paraguay und Brasilien lebenden Guaraní Paî Tavyterâ und Kaiowa. Sie nutzen die Pflanze seit Jahrhunderten, ihr Wissen steht am Ursprung des Booms von Stevia-basierten Süssstoffen. Dennoch erhalten sie keinen Cent. Nach der Veröffentlichung eines Berichts zur Schattenseite von Stevia hat sich Public Eye an die betroffenen Unternehmen gewandt und einige, darunter die Basler Firma Evolva, haben sich bereit erklärt, mit den Guaraní in Verhandlungen zu treten. Am 2. Juni hat die erste Runde dieses informellen Dialogs in Paris stattgefunden. Die NGOs hoffen, dass sich rasch eine Gruppe aus Unternehmen bildet, die bereit sind, ein konkretes Abkommen über einen Vorteilsausgleich auszuhandeln – und dass wichtige Akteure wie Cargill, Nestlé oder eben Coca-Cola Teil dieser Gruppe sind.

In der Zwischenzeit organisieren sich die Guaraní, um für ihre Rechte einzustehen. Im August 2016 haben sie eine Erklärung verabschiedet, in der sie von den „multinationalen Konzerne, die von [ihrem] Wissen und [ihrer] Biodiversität profitieren“ verlangen, dass sie sich an den Verhandlungstisch setzen. Ausserdem erarbeiten sie ein Gemeinschaftsprotokoll, welches die Bedingungen des Zugangs zu ihrem Wissen und ihre Forderungen bezüglich Vorteilsausgleichs definiert.

Mehr Informationen hier oder bei:

Laurent Gaberell, Biodiversitätsexperte, 021 620 06 15, laurent.gaberell@publiceye.ch
Oliver Classen, Mediensprecher, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch

Hintergrund

Der Markt für Stevia-basierte Süssmittel boomt. Sein Volumen wird auf 200-300 Millionen Dollar geschätzt und soll bis 2020 über 550 Millionen betragen (Mintel/ FMI). Auf dem Markt befinden sich tausende von Produkten, die mittels Setviaolglykosiden gesüsst werden, darunter Coca-Cola Life, Ricola Lakritze-Bonbons, Henniez Ananas-Pfirsich oder das Süssmittel Steviasweet von Assugrin. Der Weltmarkt für Produkte, die Stevia-basierte Süssmittel enthalten, wird auf 8 bis 11 Milliarden Dollar geschätzt.