WTO-Dienstleistungsverhandlungen und fehlende Demokratie

Zürich, 26.02.2003 - Das 1994 abgeschlossene WTO-Dienstleistungsabkommen GATS verlangt, dass die WTO-Mitgliedstaaten – auch die Schweiz - bis Ende März 2003 bei der WTO eingeben müssen, welche Dienstleistungsbereiche sie dem internationalen Wettbewerb öffnen wollen. Die Erklärung von Bern, der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD sowie attac Schweiz beklagen, dass der Vorschlag der Schweiz undemokratisch und unter Ausschuss der Öffentlichkeit erarbeitet wurde. Sie fordern von der Schweizer Regierung vollständige Informationen über die Liberalisierungspläne der Schweiz.

Ende März 2003 müssen alle WTO-Mitglieder – also auch die Schweiz – bei der Welthandelsorganisation WTO eingeben, welche Dienstleistungsbereiche sie dem internationalen Wettbewerb öffnen wollen. Unter Dienstleistungen versteht die WTO auch heikle und politisch stark geschützte Bereiche des Service public wie die Wasser- und Gesundheitsversorgung, die Bildung, die Post, Energie etc. Bereits Ende Juni 2002 stellten die WTO-Mitglieder ihrerseits Liberalisierungsforderungen an andere Länder. So fordert die Schweiz von zahlreichen südlichen Ländern die Liberalisierung des Finanzmarktes. Die Erklärung von Bern, der VPOD sowie attac Schweiz beklagen, dass diese Entscheidungen ausserhalb des Parlaments und ohne jegliche öffentliche Diskussion getroffen werden.

«WTO-Verhandlungen, die so tief in politisch heikle Bereiche des Service public hineinreichen, sind nicht mehr länger alleinige Sache des Staatssekretariats für Wirtschaft seco. Die Schweizer Bevölkerung hat ein Recht darauf zu wissen, was die Schweiz von anderen Ländern fordert und wo sie selbst Liberalisierungsverpflichtungen eingeht», sagte Marianne Hochuli von der Erklärung von Bern. Eric Decarro wies darauf hin, dass durch das GATS-Abkommen die Logik des Gemeinguts, nach der alle ein Anrecht auf öffentliche Grunddienstleistungen haben, von der Logik des Marktes abgelöst wird, in der Ausgrenzung und Wettbewerb herrschen.

Seit zwei Jahren machen Nichtregierungsorganisationen und Bewegungen mit internationalen Kampagnen auf die Gefahren des GATS-Abkommens aufmerksam. Der Bundesrat sah sich daraufhin gezwungen zu erklären, dass öffentliche Dienstleistungen nicht betroffen seien. «Dies steht jedoch im Gegensatz zu einer ersten Stellungnahme im Jahr 2000. Damals erklärte die Schweiz, a priori keinen Sektor von den Verhandlungen auszuschliessen», sagte Alessandro Pelizzari von attac Schweiz.

Die Erklärung von Bern, der VPOD und attac Schweiz fordern vom Bundesrat:

  • sich für ein Moratorium dieser Dienstleistungsverhandlungen einzusetzen, bis sorgfältige und unabhängige Länderstudien darüber gemacht wurden, welche Auswirkungen Liberalisierungen in einzelnen Bereichen haben werden
  • die Veröffentlichung aller Dokumente, Erklärungen und Übersetzungen der technischen Sprache, lange genug vor entscheidenden Verhandlungen, damit eine öffentliche Diskussion stattfinden kann
  • keinerlei Druck auf ärmere Länder auszuüben, um zu erreichen, dass diese einzelne Sektoren öffnen
  • sich dafür einzusetzen, dass alle öffentlichen Dienstleistungen von den WTO-Regeln ausgenommen werden