Glencores Steuerpraktiken in Sambia und zahnlose OECD-Richtlinien

Gemeinsam mit Partnerorganisationen in Sambia, Frankreich und Kanada reichte die Erklärung von Bern (EvB) im April 2011 Beschwerde gegen Glencore ein. Sie wurde beim „Nationalen Kontaktpunkt“ (NCP) der OECD-Richtlinien für multinationale Konzerne deponiert, der in der Schweiz beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) angesiedelt ist. Vorgeworfen wurden dem Zuger Rohstoffgiganten massive Manipulationen und Buchführungstricks in Sambia.

Trotz rekordhoher Kupferpreise hat die Glencore-Tochter "Mopani" in den letzten Jahren in Sambia immer nur Verluste ausgewiesen und deshalb nie Gewinnsteuern bezahlt. Minderheitsaktionäre an der Kupfermine, an der Glencore 73,1 Prozent hält, sind die kanadische Bergbaufirma "First Quantum" und der sambische Staat.

Die Beschwerde der EvB und ihrer Partner stützt sich auf ein Audit der Buchprüfungsfirmen "Grant Thornton" und "Econ Pöyry", das 2009 im Auftrag der sambischen Steuerbehörden mit Unterstützung Norwegens durchgeführt wurde.Zu den auffälligsten Unregelmässigkeiten gehören die darin untersuchten, weil unerklärlich aufgeblasenen Betriebskosten von "Mopani". Allein fürs Jahr 2007 hat die Buchprüfung für 380 Millionen Dollar keinerlei plausible Erklärung gefunden. Dazu kommen im Vergleich mit anderen Minen viel zu tiefe Kobalterträge und Verkaufspreise für Kupfer, die unter dem internationalen Referenzpreis lagen. Da Glencore fast alleiniger Abnehmer der Minenproduktion von Mopani ist, stellen die zu tiefen Kupferpreise eine eklatante Verletzung des "Arm's Length Principle" der OECD dar. Die dort festgeschriebene Pflicht, auch im firmeninternen Handel Marktpreise zu verrechnen, soll genau das vermeiden, was Glencore während Jahren getan hat: Durch systematische Unterfakturierung ein rohstoffreiches Entwicklungsland um seine Einnahmen zu bringen.

Sambia ist eines der ärmsten Länder der Welt. Die von Glencore im Jahr 2000 ausgehandelten "Royalties" (Förderabgaben) lagen lange bei weltrekordtiefen 0,6 Prozent. Es ist deshalb umso stossender, dass Glencore Sambia und seine Bevölkerung durch aggressive Steuervermeidung um die Früchte des Kupferbooms bringt. Im Folgenden werden der Verlauf des OECD-Beschwerdeverfahrens und dessen Ergebnisse beschrieben.

1. Aussitzen und Lügen

Der Nationale Kontaktpunkt der Schweiz einigte sich mit demjenigen Kanadas, dass die Beschwerde angenommen und von der Schweiz aus bearbeitet werden würde. Bereits Anfang Oktober 2011 nahmen Mitarbeiter des NCP mit Glencore Kontakt auf und informierten die Firma über das geplante Mediationsverfahren.Glencore akzeptierte die Einladung nicht, auch weitere Aufforderungen zum Dialog blieben folgenlos. Im Frühjahr 2012 hatte Glencore noch immer nicht eingewilligt, das Gespräch mit den kritischen zivilgesellschaftlichen Organisationen aufzunehmen.

Am 24. April 2012 wurde Tim Scott, Glencores Global Head of Tax, vor dem International Development Committee des UK House of Commons angehört. Glencore wurde gefragt, ob es stimme, dass die Firma nicht mit dem Schweizer NCP kooperiere. Darauf Tim Scott: "No, that is completely untrue. In fact it did-a Swiss Economic Ministry agency called SECO. We went to speak to SECO for some time and went through these allegations specifically with it. SECO is completely content with our answers. We have no case to answer as far as it is concerned. What SECO then did was to ask whether we would speak directly with the NGO, with SECO acting as a mediator. We said, 'Yes, we would be perfectly happy.' As far as I understand, that process is ongoing. I would add that anyone can come to Glencore and talk to us."

Bereits am 13. April 2012 hatte der NCP aber Glencore in einem Brief daran erinnert, dass die Jahresfrist, in der Beschwerden normalerweise abschliessend behandelt werden, bereits abgelaufen war. Der NCP zeigte sich bereit, diese Frist noch etwas aufzuschieben. Schliesslich war Glencore nach längeren Verhandlungen über die Terms of Reference bereit, die beschwerdeführenden Organisationen am 11. Juli 2012 zu treffen.

2. Schweigepflicht und ein Versprechen

Über den Inhalt von Mediationsverfahren beim nationalen Kontaktpunkt herrscht immer Schweigepflicht, weshalb wir nicht im Detail auf das Gespräch mit Glencore eingehen dürfen. Glencore reagierte dort jedoch mit Gegenbehauptungen auf die in der Beschwerde vorgebrachten Punkte, präsentierte aber keinerlei Belege dafür.Für die beteiligten NGOs war ein "Dialog" unter diesen Bedingungen sinnlos. Die zusätzlichen Informationen, die zwischen den Zeilen von den Glencore-VertreterInnen dennoch zu erfahren waren, durften wegen der Verschwiegenheitsplicht nicht verwendet werden. Die NGOs entschieden sich deshalb, das Mediationsverfahren nach diesem einen Treffen zu beenden. Als Ergebnis des Beschwerdeverfahrens hielt der NCP unter anderem fest: "Both sides agreed to an exchange of information with the other parties, within the limits of applicable laws. Both parties will explore ways how to engage in further dialogue. The parties discussed and agreed on certain further steps."Mündlich erhielten die NGO-Teilnehmer im Verfahren die Zusicherung, dass spezifische Fragen, die sich aus der Diskussion im NCP-Verfahren ergaben, von Glencore beantwortet würden.

3. Funkstille

Im Sommer 2012 stellte Glencore der Erklärung von Bern nach einem Email-Austausch die nicht öffentlich zugänglichen Finanzberichte von Mopani der Jahre 2006 - 2010 zur Verfügung. Die Zahlen aus 2011 wurden angekündigt, aber nie versandt. Daraufhin erarbeitete die EvB einen detaillierten Fragenkatalog, der Glencore am 3.12.2012 zugestellt wurde. Trotz Nachfragen beantwortete Glencore weder eines der verschiedenen Mails, noch irgendeine der Fragen.

4. Fazit

Die Resultate dieses NCP-Beschwerdeverfahrens sind absolut enttäuschend. Die beteiligten NGOs kamen zu ernüchternden Schlüssen. Die Steuerpraktiken von Glencore zum Schaden Sambias sind ein exemplarisches Beispiel von aggressiver Steuervermeidung, welche ebenso andauert wie die damit verbundene Straflosigkeit. Das NCP-Beschwerdeverfahren war ein untaugliches Mittel, um gegen die aggressiven Steuervermeidungspraktiken Glencores anzugehen. Der Beschwerdemechanismus ist rechtlich irrelevant. Eine Wirkung auf das Unternehmen könnte sich nur dann ergeben, wenn es sich wegen der Verletzung der OECD-Richtlinien um seine Reputation sorgt und deswegen handelte. Bei Unternehmen wie Glencore bewirkt es nichts.

Das Verfahren hat noch weitere gravierende Lücken: Der nationale Kontaktpunkt bezieht keine Position. Deshalb hat er sich zu den komplexen Fragen rund um Glencores Steuerpraktiken nicht geäussert und keinen Beitrag zur Klärung geleistet. Der NCP beschränkte sich auf die Rolle als Organisator und Protokollführer eines Treffens, dass von einer extremen Asymmetrie geprägt war - auf der einen Seite die juristische und finanztechnische Potenz eines multinationalen Unternehmens, auf der anderen Seite Betroffene und Nicht-Regierungsorganisationen, für die bereits die zeitliche Belastung für das Verfassen der Beschwerde gross war.

Fehlende Transparenz und Fehlen eines Protokolls, das die Auseinandersetzungen wieder gegeben hätte. Das Wenige, was im NCP-Prozess in Erfahrung zu bringen war, darf wegen des Maulkorbs der beteiligten NGOs nicht verwendet werden. Dass das Staatsekretariat für Wirtschaft einer kritischen Auseinandersetzung mit den Unternehmen aus dem Weg geht, belegen ihre selbstverordnete Diskretion und ihre unverhältnismässige Geduld mit Glencore. Der einzig mögliche Hebel dieses Verfahrens wäre öffentlicher Druck. Die Schweigepflicht setzt diesen Hebel jedoch ausser Kraft. Hinzu kommt, dass die abschliessende Berichterstattung des NCPs über das Mediationsverfahren schöngefärbt und weichgespült ist.