Neuer Bericht: Patente auf Pflanzen und Tiere - Jetzt müssen Europas PolitikerInnen handeln!

Das Europäische Patentamt (EPA) bewilligt Hunderte von Patenten auf Pflanzen und Tieren. Besonders heikel: Auch konventionelle Züchtungen werden patentiert. Was bedeutet das konkret? Welche rechtlichen Grundlagen gibt es und wie wirken sie sich auf die aktuelle Praxis aus? Der neueste Bericht der NGO-Koalition «No Patents on Seeds» liefert Fallstudien und schafft einen Überblick.

„Jetzt müssen Europas PolitikerInnen handeln“ lautet der Titel des neuesten Berichts der NGO-Koalition No Patents on Seeds. Für den Appell gibt es einen guten Grund: Wie der Report zeigt, ist die aktuelle Praxis des Europäischen Patentamts (EPA) äusserst widersprüchlich. So hat das EPA bereits 2400 Patente auf Pflanzen und 1400 Patente auf Tiere er­teilt. Davon betreffen rund 120 Patente die konventionelle Züchtung. Und das ist erst der Anfang: Rund 1000 weitere Anträge der gleichen Kategorie wurden bereits eingereicht. Die Entwicklung ist problematisch, denn die Reichweite vieler dieser Patente ist umfangreich und erstreckt sich oft auf die gesamte Kette der Lebensmittelerzeugung, vom Acker bis zum Verbraucher. Ein Missbrauch des Patentrechts, der darauf abzielt, die Kontrolle über die Grundlagen unserer Ernährung zu erlangen.  

Die internationale NGO-Koalition No Patents on Seeds, welcher die Erklärung von Bern (EvB) ebenfalls angehört, kämpft gegen diese Entwicklung. Dazu gehört es unter anderem, die aktuelle Praxis sichtbar zu machen. Entsprechend werden im Bericht verschiedene Fälle von im Jahr 2013 erteilten Patenten vorgestellt: Diese be­treffen Pflanzen, die nicht „erfunden“ wurden, sondern die von wilden Sorten abstammen. Zum Beispiel eine Paprika, die von wilden Sorten aus Jamaika abstammt, Tomaten, die in einer inter­nationalen Genbank in Deutschland gelagert wurden, Melonen, die ursprünglich aus Indien stammen oder die Auswahl von wilden Verwandten der Sojabohne, die in Asien und Australien beheimatet sind.  

Die Analyse dieser Fälle ist aufschlussreich. Sie zeigt, dass diese Verbote im europäischen Patentrecht, die Pflanzensorten und Tierarten betreffen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur (konventionellen) Züchtung von Pflanzen und Tieren in den letzten Jah­ren durch die Entscheidungen des EPA systematisch ausgehöhlt wurden.  

Daher fordern die Erklärung von Bern (EvB)  und No Patents on Seeds: Die Regierungen Europas müssen jetzt reagieren. Die geforderten Massnahmen sehen folgendermassen aus: In einem ersten Schritt sollen die Mitgliedsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) im Verwaltungsrat des Patentamts über ihre Repräsen­tanten eine Initiative starten. Der Verwaltungsrat kann die Regeln für die Auslegung des Europäischen Patentübereinkommens durch eine Änderung der sogenannten Ausführungsordnung festlegen.  

In einem zweiten Schritt sollen auch die europäischen Patentgesetze inklusive der EU-Patentricht­linie verändert werden, um Patente auf Züchtungsverfahren, Züchtungsmaterial, Züchtungsmerkmale (inklusive natürlicher Eigenschaften von Pflanzen), Gene sowie auf Pflanzen und Tiere und von diesen gewonnene Lebensmittel zu verbieten. Dazu bedarf es unter anderem der Zusammenarbeit der europä­ischen Regierungen und der EU-Kommission.