Strellson reagiert auf Mail-Proteste

In der Kalenderwoche 35 stehen Schweizer Modelabels im Fokus. Die erste Firmenreaktion auf die Proteste kam von Strellson. Lies, was Strellson den Protestierenden geschrieben hat, sowie unsere Stellungnahme dazu.

Mailreaktion von Strellson auf die Protest-Botschaften Konsumierender, 2.9.2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben Ihre Nachricht erhalten und begrüssen ausdrücklich, dass Sie sich für sozialverträgliche Arbeitsbedingungen einsetzen. Auch für uns ist dies ein sehr wichtiges Thema. Um unserer sozialen Verantwortung nach internationalen Standards gerecht werden zu können, ist die HOLY FASHION GROUP (Strellson AG) der Business Social Compliance Initiative (BSCI) beigetreten. BSCI stützt sich unter anderem auf die Richtlinien und Vorgaben der International Labour Organization der UN und der OECD.

Im BSCI-Verhaltenskodex (www.bsci-eu.org) sind sämtliche Forderungen zusammengefasst, die eine sozialverträgliche Produktion unserer Produkte sicherstellen. In Bezug auf die Entlohnung fordert BSCI explizit die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns. Darüber hinaus werden weitere ebenso wichtige Aspekte wie Arbeitszeit, Arbeitsbedingungen und Gesundheitsschutz geregelt. BSCI kontrolliert unabhängig und eigenständig in regelmässigen Abständen die Einhaltung aller Vorgaben.

Mit Hinblick auf die Asia Floor Wage (AFW) und die unterstützenden Aktivitäten der Clean Clothes Campaign ist festzuhalten, dass diese ein Thema ansprechen, welches auch aus unserer und aus Sicht der BSCI sehr wichtig ist. Die AFW zeigt einen transparenten und nachvollziehbaren Weg einer Berechnungsmethode für einen existenzsichernden Lohn auf. Die AFW schweigt jedoch zu dem komplexen Themenkreis, wie bei Zahlung eines Asia Floor Wage eine Wettbewerbsverzerrung - mit Hinblick auf einzelne Produktionsstätten, Lieferländer und Handels-unternehmen - auch zum Nachteil der dort Beschäftigten vermieden werden kann. An dieser Stelle wird durch die vereinfachte Darstellung von komplexen und globalen Sachverhalten eine offene und allen Seiten gegenüber faire Diskussion verhindert.

Wir stehen als Familienunternehmen zu unserer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, können Ihnen versichern, dass wir uns bewusst, selbstkritisch und ernsthaft mit oben genannten Themen regelmässig auseinandersetzen und möchten auch Sie dazu ermutigen, sich weiterhin an dieser wichtigen Diskussion zu beteiligen.

Kreuzlingen, im August 2010

HOLY FASHION GROUP  |  STRELLSON AG

SONNENWIESENSTRASSE 21  |  CH-8280 KREUZLINGEN

T: +41 (0)71 686 33 33  |  F: +41 (0)71 688 64 94

CONTACT@HOLYFASHIONGROUP.COM WWW.HOLYFASHIONGROUP.COM

Dazu nimmt die Erklärung von Bern/ Clean Clothes Campaign am 2.9.2010 folgendermassen Stellung:

Strellson war anscheinend gut vorbereitet auf KonsumentInnenreaktionen und reagierte im Rekordtempo auf die Protestbotschaften der Konsumierenden.

Strellson schreibt, dass "BSCI explizit die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns fordert", und dass Strellson als BSCI-Mitglied auch den BSCI-Verhaltenskodex einhalte. Die Verpflichtung zur Bezahlung des gesetzlichen Mindestlohnes ist nichts, womit sich die Firma rühmen kann, denn diese Verpflichtung sollte eine Selbstverständlichkeit sein, da Strellson ansonsten gegen lokale Gesetze verstossen würde.

Strellson verpflichtet sich nicht zur Bezahlung eines existenzsichernden Lohnes, und dass gesetzliche Mindestlöhne in den Produktionsländern meilenweit davon entfernt sind, existenzsichernd zu sein, ist spätestens seit den dramatischen Protesten in Bangladesch für die Weltöffentlichkeit sichtbar geworden. In Strellsons Antwort deutet nichts darauf hin, dass die Firma dies erkannt hat und in Zukunft auf existenzsichernde Löhne hinarbeiten will.

Die Asia Floor Wage Campaign setzt sich differenziert mit dem Thema „Existenzlohn“ auseinander und hat es u.a. geschafft, eine sehr breit abgestützte Berechnungsmethode zu erstellen. Ein Novum in diesem Bereich, denn bis anhin wurde firmenseitig immer argumentiert, dass die Bezahlung eines Existenzlohnes nicht möglich sei, weil es kein breit abgestütztes Berechnungsmodell gebe.

Die AFW bietet Firmen an, gemeinsam mit den regionalen, nationalen und lokalen AFW-VertreterInnen Pilotprojekte umzusetzen, ist also offen für einen Dialog. Diese enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und AFW ist zentral, damit höhere Produktions- und Einkaufspreise auch tatsächlich als Lohnerhöhungen bei den Beschäftigten ankommen.

Die CCC vermittelt auf Wunsch direkte Kontakte zur AFW. Sie organisiert Ende September in der Schweiz u.a. auch eine Veranstaltung für Firmen mit dem Ziel, dass Schweizer Firmen AFW-VertreterInnen kennenlernen und sich mit ihnen direkt über konkrete Implementierungsschritte hin zu einem Existenzlohn austauschen können. Die Firma Strellson hat es also in der Hand, sich ernsthaft zu engagieren – oder sich weiterhin hinter Ausreden zu verstecken.