Klimakrise im Bundeshaus

Es ging hitzig zu die letzten Tage: Die Ratsrechte wollte die Stadt Bern verklagen, weil sie das Klima-Camp auf dem Bundesplatz nicht sofort räumen liess. Die Ratslinke schwitzte, weil ihnen die Protestierenden lahme Klimapolitik vorwarfen. Die Medien berichteten über die «illegale Aktion», Empörung und Streitereien von Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Nur darüber, dass die etablierte Politik die Klimakrise nicht ernst nimmt, wollte niemand reden.

Für die beschauliche Bundeshauptstadt war es zugegebenermassen viel Action: Aktivistinnen und Klimaschützer kamen unter dem Motto «Rise Up For Change» in Scharen, nahmen den Bundesplatz in Beschlag - den sie kurzerhand auch noch unbenannten in «Klimaplatz». Und vor allem: sie blieben.

Das sorgte für Irritation unter der Kuppel des Bundeshauses. Muss man als gewählter Volksvertreter nun tatsächlich mit dem jungen Volk sprechen? Oder macht sich gar selbst strafbar, wer sich dazu gesellt? Für FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann ist klar: es braucht eine Strafuntersuchung. Er wittert unlauteren ausländischen Einfluss, und hofft, dass der Bundes-Nachrichtendienst «vor Ort» gewesen sei und sich «Beobachtungen notiert» habe.

Aber das heraufbeschworene Bild von Chaoten und illegalen Besetzern will so gar nicht passen zum friedlichen und bunten Miteinander der top-informierten und -organisierten Klimaschützerinnen und Aktivisten, die mit scharfen Worten und klaren Forderungen, aber ohne Sachbeschädigung und ohne Gewalt protestieren.

Fast scheint es, als vermissten einige die extremistischen Chaoten, die das Eingreifen der Polizei legitimiert hätten.

Dann wäre vermutlich auch eine Räumung bei Tageslicht angeordnet worden. So aber mussten unzählige Polizeiangehörige Nachtschicht leisten, damit am Morgen der Kaffee im Bundeshaus wieder ohne Gesang der Klimajugend genossen werden konnte.

  • © Klimastreik / Rise Up For Change
  • © Klimastreik / Rise Up For Change
  • © Klimastreik / Rise Up For Change
Absurderweise wurde mehr über eine potentielle Bedrohung der Demokratie (durch politisch engagierte junge Menschen!) gesprochen als über die Untätigkeit der institutionellen Politik.

Wir müssen reden – und handeln

Der Bundesplatz ist jetzt leer, die Ruhe und Legalität wiederhergestellt. Doch die Sachlage ist komplizierter: denn es gibt Dinge, die sind zwar legal aber völlig illegitim, z.B. dass die Lonza jahrelang den Boden im Wallis mit Giftmüll verschmutzt und die Umweltsanierung nun auf Staatskosten durchführen will.

Und dann gibt es Dinge, die sind zwar gesetzeswidrig, aber völlig legitim. Dazu gehört der zivile Ungehorsam, den das Klima-Camp bewusst wählte, und der «eine Form politischer Partizipation» ist.

Klima-AktivistInnen wollen nicht randalieren oder stören, sie wollen politisch gehört werden, heute und jetzt.

Weil die Zeit drängt und für langwierige Prozesse wie z.B. eine Volksinitiative, womit einige Parlamentarierinnen und Parlamentarier sie abspeisen wollen, nicht ausreicht. Zum Glück haben wir so viele junge (und ältere) klimaengagierte Menschen, die sich aktiv an Debatten beteiligen und sich auf die Lösungssuche für Wege aus der Klimakrise machen. Und die Klimaerwärmung wird auch unter der Bundeshaus-Kuppel zunehmen, denn die Klimakrise lässt sich nicht so einfach aus dem Weg räumen.

«Stell dir vor es ist Klimakrise und niemand geht hin» – hat Bundesbern wirklich nicht mehr zu bieten?!»

Christa Luginbühl arbeitet seit über 10 Jahren bei Public Eye und ist Mitglied der Geschäftsleitung. Ihr thematischer Schwerpunkt sind Menschen-, Frauen- und Arbeitsrechte in internationalen Lieferketten, insbesondere in der Pharmaindustrie, Landwirtschaft, im Konsum und Agrarrohstoffhandel.

Kontakt: christa.luginbuehl@publiceye.ch

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