Unsere Studien zur Auslagerung von klinischen Versuchen

© Mark Henley/Panos
Diverse Recherchen von Public Eye zeigen, dass multinationale Pharma-Firmen (schweizerische und ausländische) sich bei klinischen Versuchen in Ländern wie Russland, der Ukraine, Argentinien und Indien die jeweiligen Systemschwächen zunutze machen, um Medikamententests zu beschleunigen und Profite zu erhöhen – unter Missachtung von ethischen Standards und Menschenrechten.

Zwischen Juli 2012 und Juni 2013 hat Public Eye Recherchen in Russland, der Ukraine, Argentinien und Indien durchgeführt. Diese vier Länder gehören für Roche und Novartis zu den bevorzugten Standorten für klinische Versuche. Angesichts der herrschenden Intransparenz bei der Durchführung von Medikamententests gestalteten sich die Recherchen als schwierig. Veröffentlicht wird kaum etwas; die Forschungsteams unterstehen der Schweigepflicht und befürchten, rechtlich belangt zu werden, wenn sie doch reden würden. Testpersonen zu identifizieren oder sich ihnen zu nähern, ist ebenfalls sehr schwierig. Nach Gesprächen mit Schlüsselfiguren, dem Studium vertraulicher Dokumente und unzähliger Faktenchecks ergab sich, dass in jedem dieser vier Länder schwerwiegende ethische Verstösse begangen wurden.

Diese Recherchen werden von Public Eye nicht weiterverfolgt oder aktualisiert. Die Ergebnisse, wie sie auf dieser Website erscheinen, sind die Ergebnisse unserer Forschung im Jahr 2013.

Polen: Auch in Europa

Auch in EU-Ländern werden die Ärmsten der Gesellschaft für klinische Versuche ausgenutzt, wie beispielsweise in Polen, wo Novartis einen Vogelgrippeimpfstoff unter Verletzung ethischer Regeln an Obdachlosen ohne deren Zustimmung getestet hat. Public Eye untersuchte diesen Fall und sammelte Zeugenaussagen. Ein Teilnehmer an der klinischen Studie beabsichtigt, eine Beschwerde gegen das Basler Unternehmen einzureichen - ein potenziell richtungsweisendes Verfahren.

Dieser Fall wird regelmässig aktualisiert, um die rechtliche Entwicklung zu dokumentieren, an der Public Eye nicht offiziell beteiligt ist.

© Roger Anis

Ägypten: Im Land der Pharaonen ist die Schweizer Pharma Königin

Im Juni 2016 ist eine Recherche über Ägypten dazu gekommen. 2016, fünf Jahre nach dem arabischen Frühling ist die politische Situation in Ägypten noch immer instabil und die Menschenrechtslage prekär. Trotzdem nutzen vor allem Schweizer Pharmafirmen das Land häufig für ihre Medikamententests – und schlagen aus der Not der Bevölkerung Profit, wie die Recherche zeigt.

Dieser politische Kontext hätte die Pharma-Multis davon abhalten können, ein so riskantes und komplexes Verfahren wie die Arzneimitteltests in dieses Land zu verlagern. Doch im Gegenteil, unsere Umfrage in Ägypten zeigt, dass die Pharmaindustrie die Mängel des öffentlichen Gesundheitssystems nutzt, um klinische Studien an einer gefährdeten Bevölkerung mit wesentlich niedrigeren Kosten durchzuführen. Und die Vorgehensweise ist ähnlich: Gesetzesmängel, voreingenommene Zustimmung aufgrund mangelnder Wahlmöglichkeiten und keine Sicherheit für die Kontinuität der Behandlung nach der Studie.

Diese Forschungsergebnisse werden regelmässig im Einklang mit den Entwicklungen in Ägypten aktualisiert, einschließlich der Frage eines neuen Gesetzes über klinische Studien in diesem Land (das derzeit im ägyptischen Parlament diskutiert wird). Im April 2018 widmete die DW Arabia unter Beteiligung von Public Eye eine einstündige Sendung auf Arabisch zu diesem Thema.

Zugang zu Medikamenten (Post-Trial-Access PTA)

Die Folgestudie «Post-Trial Access to Swiss Medicines in Five Low and Middle-Income Countries» (2019) in Kolumbien, Mexiko, Thailand, der Ukraine und in Südafrika zeigt erfreulicherweise, dass sich die Zulassungsrate von Medikamenten in den Ländern, in denen sie getestet wurden, merklich verbessert hat. Dennoch gleicht der Zugang der Bevölkerung zu diesen Medikamenten oft einer Lotterie – vor allem wegen der unverantwortlichen Preispolitik der Unternehmen.