Neue Rohstoffstatistik: Mit Vorsicht zu geniessen

Die vom Bundesrat verlangte Datenerhebung zum Rohstoffsektor sollte Transparenz schaffen. Stattdessen sorgt die neue Schätzung des Bundesamtes für Statistik für Irritationen: Ihre Resultate stehen im starken Widerspruch zu Nationalbank-Daten und gelten selbst in der Branche als unvollständig.

1. Dezember 2025

Verlässliche Daten zum Schweizer Rohstoffsektor sind gefragt, aber nur spärlich vorhanden – sei es über Umfang und Herkunft der gehandelten Waren, sei es über den Beitrag des Sektors zum Bruttoinlandprodukt. Im Juni 2022 hatte der Bundesrat als Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine und die Debatte um die Bedeutung des Handelsplatzes für die Finanzierung des russischen Krieges eine Datenerhebung beschlossen, um «verlässliche Aussagen über die Bedeutung des Rohstoffhandels für die Schweiz» machen zu können. 

Herausgekommen ist, über drei Jahre später, eine auf Firmenumfragen beruhende Schätzung des Bundesamtes für Statistik (BFS) der Wertschöpfung des Rohstoffhandels, die mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt. 2024 hätten die im Rohstoffhandel tätigen Unternehmen eine Wertschöpfung von 19,2 Milliarden Franken generiert, was 2,3% des Bruttoinlandproduktes (BIP) der Schweiz entspräche

Die Zahlen stehen in starkem Kontrast zu vergleichbaren Erhebungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Ihre Erfassung beziffert für 2024 den Ertrag des Transithandels (wovon der Rohstoffsektor den Grossteil ausmacht) dreimal höher als das BFS – rund 58,6 Milliarden Franken. Dies entspricht einem BIP-Anteil des Rohstoffsektors von 6,7%. Während die SNB-Statistik tendenziell den Sektor etwas überschätzt, liegt sie dreimal höher. Obwohl das BFS angibt, eine andere Kenngrösse als die SNB zu erheben, erstaunt dieser gewaltige Unterschied. 

Selbst der Branchenverband des Sektors, Suissenégoce, kritisiert die neue Statistik. Sie bilde viele Tätigkeiten nicht ab, z.B. die Erdölraffination. Damit fehle ein grosser Teil der Wertschöpfung. Tatsächlich werfen die Erhebungsmethoden des BFS Fragen auf. Es ist völlig unklar, wie viele der befragten Firmen tatsächlich geantwortet haben und für wie viele der Firmen die Zahlen geschätzt werden mussten. Auf Anfrage erklärt das BFS, dass die «grossen» Rohstoffhändler geantwortet hätten. Diese machen jedoch nur einen Bruchteil der insgesamt 975 erfassten Unternehmen aus. Für den Rest wurde eine Schätzung gemacht, dennoch ist das BFS der Meinung, dass das Resultat nicht beeinträchtigt sei. Zudem wurden gemäss Auftrag des Bundesrats die Rohstoffflüsse nicht erfasst. Dabei wäre genau das zentral, um die Wertschöpfung der verschiedenen Zweige zu beziffern. 

Auch deckt sich die Erhebung des BFS kaum mit den historischen Entwicklungen. Noch 2017 hatte der Bundesrat den BIP-Anteil des Rohstoffsektors auf rund 3,8% geschätzt. Seither haben die Einnahmen stark zugenommen. Dass die Zahlen jetzt so tief liegen, dürfte auch am Referenzjahr 2024 liegen. Rohstoffkonzerne investierten ihre Rekordprofite, die sie nach der russischen Invasion der Ukraine gemacht hatten, in neue Infrastruktur und konnten so ihre Gewinne kleinrechnen. Die Momentaufnahme eines einzelnen Jahres kann den Sektor kaum verlässlich einschätzen. Das anerkennt auch das BFS und schreibt, dass die Zahlen weiter konsolidiert und verfeinert würden. Zudem soll die Erhebung auch für die Jahre 2025 und 2026 durchgeführt werden. 

In der Summe ist die neue BFS-Statistik damit dennoch nicht belastbar und mit Vorsicht zu geniessen: «Verlässliche Aussagen» zum Rohstoffsektor, wie vom Bundesrat gefordert, lassen sich damit nicht machen. Vor allem aber ist sie eine rein innenpolitische Kenngrösse und liefert keinerlei Informationen über Herkunft und Destination der in der Schweiz gehandelten Rohstoffe. Aussenpolitisch relevante Aussagen, beispielsweise zur Finanzierung von Konflikten durch den Rohstoffhandel, lassen sich damit nicht machen. Public Eye fordert weiterhin eine breitere Datenerhebung zum Hochrisikosektor Rohstoffhandel.