Als Strohmann für Gunvor und Vitol im Einsatz

Ein Jahr nach der wegweisenden Verurteilung des Genfer Rohstoffhändlers Gunvor wegen Korruption in Kongo-Brazzaville und der Elfenbeinküste legt Public Eye nach: Demnach war auch Konkurrent Vitol mit dem wirtschaftlich Berechtigten eines Unternehmens mit Sitz in Hongkong im Geschäft. Bankauszüge zeigen, dass Vitol dieser Firma über 3,3 Millionen Euro überwiesen hat. Für seine Rolle im Gunvor-Fall wurde der Mittelsmann inzwischen verurteilt.

Manche Schweizer Rohstoffhändler setzen auf die Dienste zweifelhafter Vermittler. So belegen unsere Recherchen elf Zahlungen in der Gesamthöhe von über 3,3 Millionen Euro (CHF 3,5 Mio.), die Vitol AG zwischen Oktober 2014 und März 2015 an die kleine Samariti Shipping LTD (SSL) mit Sitz in Hongkong leistete. Der wirtschaftlich Berechtigte dieses undurchsichtigen Unternehmens mit Konten bei der Hongkonger HSBC-Filiale war ein gewisser E.E. Der französisch-israelische Vermittler verkaufte früher Textilien und Möbel und betreibt heute ein bescheidenes Restaurant in Paris, wo Public Eye ihn ausfindig machte, um ihm ein paar Fragen zu stellen.

E.E. bezeichnet sich selbst als «Strohmann» und ist bei der Schweizer Justiz aktenkundig. Im Juli 2014, wenige Monate vor Vitols erster Zahlung an SSL, erliess die Bundesanwaltschaft im weitverzweigten Gunvor-Fall einen Haftbefehl gegen ihn. Gemäss Anklageschrift verdächtigte die Bundesanwaltschaft E.E. und seinen französischen Geschäftspartner David Jonathan Benouaich, der immer noch auf der Flucht ist, «Mitglieder eines Netzwerks professioneller Geldwäscher» zu sein, die über diverse Offshore-Gesellschaften operierten. Im März 2015 wurde E.E. in Serbien verhaftet, später an die Schweiz ausgeliefert und im September 2019 vom Bundesstrafgericht wegen «Urkundenfälschung» zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt, neun davon auf Bewährung.

E.E. hat eingeräumt, Strohmann der Briefkastenfirma Zilan HK LTD gewesen zu sein: Diese hatte 2012 Provisionen in Empfang genommen, die Gunvor im Hinblick auf Rohöllieferungen von kongolesischen Beamten gezahlt hatte. Die Gelder wurden dann «hauptsächlich an chinesische Staatsangehörige und an Unternehmen überwiesen, insbesondere über in China ansässige Bankinstitute, was auf Kompensationsgeschäfte hindeutet», wie die Anklageschrift gegen Gunvor festhält. Bei den Einzahlungen von Vitol an SSL erfolgten auch noch am selben oder den darauffolgenden Tagen Auszahlungen von mindestens 1,9 Millionen Euro an chinesische Staatsbürger mit Konten bei der Bank of China in Hongkong.

Warum hat Vitol Zahlungen an eine Scheinfirma des französisch-israelischen Mittelsmanns getätigt? Der Rohstoffriese verweigert die Antwort und versteckt sich hinter dem Geschäftsgeheimnis. Der Fall Gunvor zeigte allerdings, dass E.E. und sein französischer Geschäftspartner beste Beziehungen zu hohen Amtsträgern in Kongo-Brazzaville unterhielten. Das Duo stellte seine Unternehmen zur Verfügung, um Provisionen weiterzureichen. Vitol jedoch behauptet, der Konzern habe «in Kongo-B (oder anderen Hoheitsgebieten) keinerlei Tätigkeit unter Vermittlung durch SSL oder Herrn [E.E.] ausgeübt».

Mehr Infos hier oder bei:

Oliver Classen, Mediensprecher, +41 44 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch

Andreas Missbach, Leiter Rohstoffe, +41 44 277 79 07, andreas.missbach@publiceye.ch