Bericht zu Russland­sanktionen ist Freibrief für Rohstoffhändler

Der heute publizierte Bundesratsbericht zur Umsetzung der Russlandsanktionen im wichtigen Rohstoffbereich bringt zwar ein paar brauchbare Vorschläge, aber weder neue Informationen über noch konkrete Pflichten für den Sektor. Statt der Rohstoffhändler sollen nun die Banken besser berichten – zumindest ein wenig. Am deutlichsten zeigt sich die politische Beisshemmung gegenüber der problematischen Boombranche bei den Sorgfaltspflichten hinsichtlich Tochtergesellschaften im Ausland, die als grosse Ausnahme nicht von der EU übernommen wurden – was der Bundesrat im Bericht aber glatt unterschlägt.

In seinem fast 40seitigen Papier resümiert der Bundesrat die bisherige «Durchsetzung und Kontrolle der Sanktionen gegen Russland im Rohstoffsektor» und erfüllt damit ein Postulat der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. Eine erste Analyse von Public Eye zeigt einige eklatante Lücken: So stützt sich der Bundesrat bei seiner Übersicht über die zentrale Rolle der Schweiz im Handel mit russischen Rohstoffen auf bekannte Schätzungen, statt relevante neue Informationen zu liefern oder wenigstens in Aussicht zu stellen. Es fehlt auch die nötige Differenzierung zwischen globalen Rohstoffkonzernen und den zahlreichen Klein- bis Kleinsthändlern sowie eine Analyse von deren konkreten Geschäften mit Russland.

Aussagen zu den aktuellen Verdachtsfällen von Sanktionsverletzungen sucht man ebenfalls vergeblich. Hinsichtlich der komplexen Sanktionsbestimmungen betreffend Kohle und der vielen Zuger Niederlassungen russischer Kohleproduzenten wäre eine Analyse besonders nötig gewesen. Unerwähnt bleiben auch die Risiken im Handel mit russischem Getreide, welche angesichts der systematischen Plünderungen durch die russischen Besatzer in den besetzten Gebieten besonders hoch sind.

Immerhin schlägt der Bundesrat einige Massnahmen vor. So soll die Bundesanwaltschaft nun bei mutmasslichen Verstössen gegen das Embargogesetz auch selbst ermitteln können und nicht nur auf Ersuchen des Seco. Das hatte Public Eye bereits 2022 gefordert. Verstösse gegen das Embargogesetz sollen zudem dem Geldwäschereigesetz und den darin formulierten Sorgfaltspflichten unterstellt werden. Der Bundesrat erhofft sich davon, dass die «Banküberwachung» bei der Ermittlung wegen Verstössen gegen Rohstoffsanktionen künftig von grösserem Nutzen ist. Dafür müssten allerdings auch die Banken erstmal mehr Daten von den Rohstoffunternehmen erhalten. Während die Finanzintermediäre also ein wacheres Auge auf den Rohstoffhandel werfen sollen, wird die Skandalbranche selbst nicht stärker in die Pflicht genommen: Der Bericht enthält keinerlei neue Massnahmen zur Stärkung des Kontrolldispositivs der Rohstoffunternehmen.

Das zeigt erneut den grundlegenden Interessenskonflikt, in dem sich das federführende Seco als Wirtschaftsförderungsbehörde und Sanktionsdurchsetzungsinstanz befindet. Kein Wunder also unterschlägt der Bericht die wichtigste Ausnahme bei der Übernahme der EU-Sanktionen: Der Bundesrat hat nämlich keine Sorgfaltspflichten für Schweizer Unternehmen bezüglich ihrer Tochtergesellschaften im Ausland eingeführt – und zwar mit exakt derselben Begründung, mit welcher der Branchenverband der Rohstoffhändler dagegen lobbyiert hatte. Das so geschaffene Schlupfloch  für Schweizer Firmen wurde auch bereits ausgenutzt. Eine Motion der SP versucht dies zu korrigieren.

Unsere ausführliche Analyse des Bundesratsberichts folgt nächste Woche.

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