Mehr Lücken als Lösungen: Blasser Bundesratsbericht zu den Rohstoffsanktionen gegen Russland

In seinem fast 40seitigen Papier resümiert der Bundesrat die bisherige «Durchsetzung und Kontrolle der Sanktionen gegen Russland im Rohstoffsektor» und erfüllt damit ein Postulat der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats. Der Bericht liefert aber weder relevante neue Daten noch formuliert er konkrete Pflichten für den geopolitischen Hochrisikosektor.
© Shutterstock

25. Juni 2025

Public Eye analysiert seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine, wie die Schweiz die Sanktionen gegen Russland handhabt – mit besonderem Augenmerk auf den Rohstoffhandelsplatz. Denn deren konsequente Umsetzung ist nicht nur der grösste Schweizer Hebel auf Putins Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine. Sie zeigt auch, wie Bundesrat und Parlament mit dem Rohstoffhandelsplatz umgehen, für den die Sanktionen nur das jüngste in einer langen Liste von Risiken sind.

Aus dem bundesrätlichen Bericht, der auf das Postulat folgt, zieht Public Eye folgende Schlüsse:

Weitere Informationen

  • Zu wenig differenzierte Analyse ohne neue Erkenntnisse

    Der Bundesrat stützt sich bei seiner Übersicht über die zentrale Rolle der Schweiz im Handel mit russischen Rohstoffen auf bekannte Schätzungen, ohne relevante neue Informationen zu liefern oder wenigstens in Aussicht zu stellen. Konkrete Zahlen gibt es einzig zum Import von russischen Rohstoffen, nicht aber zum ungleich grösseren Transithandel. Dies, weil die Datenlage dazu so dünn ist, dass der Bundesrat diese volkswirtschaftliche Schlüsselbranche «nur in groben Zügen» quantifizieren kann (und will). Es fehlt auch die nötige Differenzierung zwischen globalen Rohstoffkonzernen und den zahlreichen Klein- bis Kleinsthändlern, über die oft noch weniger bekannt ist und über die seit Kriegsbeginn die meisten Russlandgeschäfte laufen. Immerhin bestätigt er die Schätzungen von Public Eye, wonach der Rohstoffsektor 2022 und 2023 um die 10% zum Schweizer BIP beigetragen hat.

  • Minimale Massnahmen

    Von den wenigen konkreten Massnahmen, die der Bundesrat vorschlägt, betrifft bezeichnenderweise keine direkt die Rohstoffunternehmen. So soll die Bundesanwaltschaft bei mutmasslichen Verstössen gegen das Embargogesetz künftig auch selbst ermitteln können und nicht nur auf Ersuchen des Seco – was Public Eye bereits 2022 gefordert hatte. Zudem sollen die Sorgfaltspflichten für Finanzintermediäre gemäss Geldwäschereigesetz künftig auch Verstösse gegen das Embargogesetz umfassen. Das ist zwar grundsätzlich positiv, ersetzt aber in keiner Weise die überfälligen eigenen Sorgfaltspflichten für die Rohstoffhändler.

  • Banken (statt Rohstoffhändler) in der Pflicht

    «Die zuständigen Behörden machen im Kontakt mit den Unternehmen die Erfahrung, dass diese grossmehrheitlich bestrebt sind, die Sanktionsvorschriften einzuhalten», so das Fazit des Berichts. Daher nimmt der Bundesrat die Rohstoffhändler nicht enger an die Leine. Stattdessen sollen die Banken mehr und besser kontrollieren. Aber auch da ist «nicht abschliessend vorgegeben, welche Abklärungen die Bank im Rahmen einer Handelsfinanzierung genau vorzunehmen hat.» Dies werde vielmehr vom jeweiligen Risikoappetit mitdefiniert. Der Bericht schreibt den Banken bei der Überwachung des Rohstoffsektors zu viel Verantwortung zu, die sie nicht wahrnehmen können. Ohne zusätzliche Daten und Abklärungen, die von den Händlern selbst kommen müssten, können auch die Finanzintermediäre keine belastbare Risikoanalyse liefern.

  • Unterschlagene Ausnahmeregel

    Die Tatsache, dass sogenannt rechtlich unabhängige Tochtergesellschaften im Ausland von Schweizer Unternehmen zur Untergrabung der Sanktionen genutzt werden können, belastet den Rohstoffhandelsplatz seit Bekanntwerden der ersten Fälle. Der Bericht bietet dazu zwar Präzisierungen, wann eine im Ausland begangene Handlung genug materiellen Bezug zur Schweiz aufweist, um dem Sanktionsregime unterstehen zu können. Er unterschlägt aber, dass der Bundesrat im Herbst 2024 erstmals eine zentrale Sanktionsmassnahme der EU nicht übernommen hat: So wurden in der Schweiz keine Sorgfaltspflichten für Schweizer Unternehmen bezüglich ihrer Tochtergesellschaften im Ausland eingeführt – und zwar mit exakt derselben ausflüchtigen Begründung, mit welcher der Branchenverband der Rohstoffhändler dagegen lobbyiert hatte. Diese mutmasslich bereits ausgenutzte Lücke muss dringend geschlossen werden. Im Parlament ist dazu ein Vorstoss hängig. 

  • Aufklärung» der Rohstoffhändler

    Das Seco plant, seine Sensibilisierung und Aufklärung der Branche weiter auszubauen. Dabei müssen die oftmals komplexen Regeln aber unbedingt in klare Anweisungen an die Unternehmen übersetzt werden. Gerade beim schwierig kontrollierbaren Erdöl-Preisdeckel hatte Public Eye – vergeblich - gefordert, dass das Seco zeitnah konkrete Umsetzungsvorgaben erstellt. Im Bericht fehlt jeglicher Hinweis darauf, ob und wie das Seco die Einhaltung des Preisdeckels konkret kontrolliert hatte. 

  • Struktureller Interessenskonflikt

    Das Ressort Sanktionen beim Seco wurde seit 2022 stark ausgebaut. Im Bericht wird ersichtlich, wie breit die Aufgaben dieser Behörde inzwischen sind. Und dass sie gleichzeitig für die Wirtschaftsförderung und Sanktionsdurchsetzung zuständig ist. Dieser grundlegende Interessenskonflikt wird aber totgeschwiegen. Keine Aussage findet sich auch zur Zusammenarbeit mit den kantonalen Behörden, insbesondere den Rohstoffzentren Zug, Genf und Tessin. Diese Leerstelle ist umso auffälliger, als die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen des Bundes als «sehr gut» charakterisiert wird.

  • Kohle bleibt grösster blinder Fleck

    Der Bericht hält zwar die komplexe Regelung für den Handel mit Kohle aus Russland fest (der Kauf ist verboten, das Erbringen von Transportdienstleistungen jedoch nicht), er liefert aber keine Antworten auf die Frage, wie dieser politische Spagat auf die Schweizer Filialen von russischen Kohleproduzenten ausgewirkt hat. Public Eye hat dies mehrfach gefordert. Schliesslich hatten diese mehrheitlich in Zug registrierten Firmen vor dem Ukrainekrieg 75% aller russischen Kohleexporte abgewickelt. Seither haben sie sich unverdächtige Namen gegeben (so heisst die Zuger Niederlassung des grössten russischen Kohleproduzenten, SUEK, seit Mai 2024 TerraBrown). Es bleibt weiter unklar, welche Geschäfte diese Firmen heute tätigen. 

  • Getreideplünderungen in den besetzten Gebieten

    Hier konstatiert der Bericht lediglich, dass der Import von Gütern aus besetzen Gebieten der Ukraine zwar verboten ist, der Handel damit aber nicht. Angesichts der systematischen Plünderung von Getreide durch die russische Besatzungsmacht und der Tatsache, dass die Schweiz auch eine Grossmacht im Getreidehandel ist, ist diese Aussage völlig unzureichend. Public Eye hatte 2024 aufgezeigt, dass Schweizer Händler den Beweis für eine angemessene Sorgfalt bei Geschäften in Kriegsgebieten schuldig bleiben. Die EU versucht mit Tarifen auf russische Agrarprodukte dem Handel mit geplünderten Rohstoffen einen Riegel zu schieben. Der Bundesrat steckt in dieser wichtigen Frage lieber den Kopf in den Sand. 

Rohstoffsektor intransparenter, aber nicht kleiner

Die Sanktionen gegen den Handel mit russischen Rohstoffen haben den Schweizer Handelsplatz stark verändert. Teile dieses Geschäfts wurden ins Ausland verlagert, andere sind in der Schweiz geblieben. Dadurch ist der hiesige Rohstoffsektor noch intransparenter, aber keineswegs kleiner geworden. Im Gegenteil: In den Kriegsjahren 2022 und 2023 war das Handelsgeschäft so profitabel, dass es Bund und Kantonen gigantische Steuereinnahmen beschert hat. Was Finanzministerin Keller-Suter mit dem Ausspruch quittierte: «Wir danken den Rohstoffhändlern, oder?»

Währenddessen geht der russische Krieg gegen die Ukraine in unverminderter Härte weiter. Der Einfluss der Schweiz auf den für die Kriegsfinanzierung zentralen Handel mit russischen Rohstoffen ist nicht mehr ganz so gross wie vor drei Jahren. Die geopolitische Bedeutung und die damit einhergehenden Risiken des Handelsplatzes aber bleiben. Um diese wirksam einzudämmen, muss die Schweiz endlich die Datenlage zum Rohstoffsektor verbessern, konkrete Sorgfaltspflichten für Rohstoffhändler einführen und auch weiterhin – und ohne Ausnahmen – die EU-Sanktionen mittragen.

Verantwortung der Schweiz Ukrainekrieg und Rohstoffhandel