Export verbotener Pestizide: Public Eye deckt grosse Lücken in Schweizer Gesetzgebung auf

Ungeachtet einer Gesetzesverschärfung, die seit 2021 in Kraft ist, exportiert die Schweiz weiterhin verbotene Pestizide. Dutzende von gefährlichen Substanzen, die hierzulande verboten sind, entgehen den jüngsten Bestimmungen des Bundesrats. Dieser muss die Ausfuhr aller nachweislich gesundheits- oder umweltschädlichen Giftstoffen in Entwicklungs- und Schwellenländer endlich ganz verbieten.

Das im Oktober 2020 vom Bundesrat beschlossene Exportverbot für Pestizide, deren Produktion und Einsatz in der Schweiz untersagt sind, trat Anfang 2021 in Kraft, gilt aber nur für fünf Substanzen: Paraquat, Atrazin, Diafenthiuron, Profenofos und Methidathion. Die Ausfuhr aller anderen aus der Schweizer Landwirtschaft verbannten Pestizide ist weiterhin legal. Laut Dokumenten, die Public Eye vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) erhalten hat, hat das BAFU dem Basler Agrochemiekonzern Syngenta 2021 und 2022 erlaubt, jeweils mehr als 10 Tonnen Pflanzenschutzmittel auf Basis von Triasulfuron zu exportieren. Diese Substanz ist wegen ihrer Giftigkeit für Wasserorganismen und ihres erbgutschädigenden Potenzials bei uns verboten. Die Exporte gingen nach Algerien und Tunesien, wo die Anwender*innen in der Regel nicht über die nötige Ausbildung und Ausrüstung verfügen, um sich und ihre Gewässer zu schützen.

Die Analyse von Public Eye zeigt zudem, dass die BAFU-Daten bei weitem nicht das ganze Ausmass des Problems widerspiegeln. Vertrauliche Dokumente der deutschen Behörden belegen, dass Syngenta allein dieses Jahr die Ausfuhr von fast 100 Tonnen Pestiziden, die in der Schweiz und der EU verbotene Substanzen enthielten, aus Deutschland in die Schweiz gemeldet hat. Von hier sollten sie anschliessend in Drittländer gehen. Doch diese Exporte tauchen in den offiziellen Schweizer Daten  nicht auf. Und dass trotz solch toxischer Wirkstoffe: Thiamethoxam ist ein «Bienenkiller», Diquat schon beim Einatmen tödlich, Propiconazol laut der EU «fortpflanzungsgefährdend» und Chlorthalonil schliesslich eine krebserregende Substanz, die das Grundwasser verseucht.

Alle diese Pestizide wurden zwar kürzlich in der Schweiz verboten, stehen aber nicht auf der Liste jener Stoffe, die den helvetischen Exportvorschriften für gefährliche Chemikalien unterliegen. Sie fallen nicht unter die Bewilligungspflicht, welche der Bundesrat im Oktober 2020 für die Ausfuhr bestimmter verbotener Pestizide erlassen hat. Sie können auch weiter ohne BAFU-Genehmigung und ohne Zustimmung des Empfängerlands versandt werden. Insgesamt können rund 90 bei uns und in der EU verbotene Pestizide frei aus der Schweiz exportiert werden und bleiben dabei für Behörden und Öffentlichkeit unsichtbar. Um dieses Giftgeschäft endlich zu unterbinden, braucht es ein vollständiges Exportverbot und eine strenge Durchsetzung – in der Schweiz ebenso wie auf EU-Ebene.

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