Gunvor in Ecuador: Schweizer Justiz eröffnet Strafverfahren

Eineinhalb Jahre nach der Verurteilung in einem massiven Öl-Korruptionsfall in der Republik Kongo, ist der Genfer Rohstoffkonzern erneut im Visier der Schweizer Bundesanwaltschaft. Der Fall betrifft die mutmassliche Bestechung fremder Amtsträger und Geldwäscherei durch einen ehemaligen Mitarbeiter in Ecuador. Public Eye begrüsst das Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden, welches in scharfem Kontrast zur Untätigkeit des Bundesrats steht.
© Johis Alarcón/Panos

Der heute kommunizierte Entscheid der Bundesanwaltschaft, ein Strafverfahren gegen Unbekannt zu eröffnen, stützt sich insbesondere auf Gerichtsdokumente aus den seit 2012 von US-Behörden geführten Ermittlungen. Das dortige Justizministeriumwirft einem ehemaligen Gunvor-Mitarbeiter vor, zwischen 2012 und 2019 Mittelsmännern mehr als 70 Millionen Dollar an Provisionen gezahlt zu haben, von denen mindestens 22 Millionen Dollar im Austausch für günstige Verträge in den Taschen von drei ecuadorianischen Beamten gelandet sein sollen. Laut dem Ex-Mitarbeiter, der sich schuldig bekannt hat, hatten gewisse Führungskräfte «Kenntnis von diesem Korruptionsschema». Public Eye enthüllte kürzlich die Details von Gunvors Deals in Ecuador. Die Recherche zeigt, wie das Genfer Handelshaus zum zentralen Akteur im dortigen Rohöl-Geschäft wurde, ohne je eine einzige Ausschreibung dafür gewonnen zu haben.

Der Fall erinnert stark an einen anderen Gunvor-Skandal. Im Oktober 2019 wurde das Unternehmen von der Schweizer Justiz im Zusammenhang mit Korruptionshandlungen in der Republik Kongo und in der Elfenbeinküste verurteilt. Bezüglich der firmeninternen Compliance wirft die zeitliche Überschneidung der beiden Fälle Fragen auf. Während die Schweizer Ermittlungen im Zusammenhang mit den Afrika-Deals in vollem Gange waren, richtete der ehemalige Mitarbeiter von Gunvor als Berater in Lateinamerika komplexe Offshore-Konten ein, um drei ecuadorianische Beamte zu vergüten. Im Strafbefehl vom 14. Oktober 2019 hielt die Schweizer Justiz fest, dass der Rohstoffhändler weder «über ein Compliance-Programm» noch «über ein internes Audit» verfügte.

Seit Jahren unternehmen die Bundesbehörden nichts, um die offensichtlichen Korruptionsgefahren im Schweizer Rohstoffsektor einzudämmen. Angesichts riesiger Regulierungslücken und der Unredlichkeit von Rohstoffhändlern, die behaupten, eine «Null-Toleranz-Politik gegenüber Korruption» zu verfolgen, muss die Justiz immer öfters als Feuerwehr agieren. Public Eye fordert den Bundesrat deshalb auf, eine spezifische Gesetzgebung und eine Aufsichtsbehörde zu schaffen, um diesen Sektor zu überwachen, der Risiken zum Geschäftsmodell gemacht hat.

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