Intransparente Medikamentenpreise: Jetzt will der Bundesrat sogar das Öffentlichkeitsgesetz aushebeln

Im Rahmen der Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) sollen nicht nur Preismodelle mit Geheimrabatten, sondern zudem auch eine Zugangsbeschränkung für alle entsprechenden Dokumente verankert werden. Ein von Public Eye in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten erkennt darin «eine systemwidrige Einschränkung des Öffentlichkeitsprinzips». Tatsächlich kommt diese vom Bundesrat geplante Massnahme einer politischen Kapitulation vor den Pharmakonzernen gleich, die ihre missbräuchlichen Preise und Margen so künftig unter gesetzlichem Ausschluss der Öffentlichkeit diktieren könnten.

Das Aushandeln von Rabatten auf neue Medikamente mittels so genannter Preismodelle und die Geheimhaltung der erhaltenen Rabatte gehört schon länger zum fragwürdigen Umgang des Bundesamts für Gesundheit (BAG) mit der mächtigen Pharmaindustrie. Als Teil des zweiten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen soll diese Praxis nun nachträglich legalisiert werden. Ein «Preismodell» bezeichnet eine Vereinbarung zwischen dem BAG und einer Pharmafirma, welche die Bedingungen der Aufnahme von Medikamenten in die Spezialitätenliste festlegt, damit die Behandlung von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen wird. Schon heute ist die Hälfte dieser Bedingungen geheim. Dank dem seit 2006 geltenden Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) müssen die Behörden – auf Antrag – aber wenigstens Einsicht in alle dafür relevanten Unterlagen gewähren. Diese demokratische Kontrolle will der Bundesrat nun auch noch aushöhlen und im neuen KVG-Artikel 52c «den Zugang zu amtlichen Dokumenten verweigern, soweit diese die Höhe, die Berechnung oder die Modalitäten der Rückerstattungen betreffen». 

Das BGÖ sieht zwar durchaus Ausnahmen vor, aber nur für sicherheitspolitisch kritische Bereiche. Keine davon betrifft bislang sozialpolitische Themen wie die Festsetzung der Medikamentenpreise, für die das BAG zuständig ist. Die vom Bundesrat angestrebte Zugangsverweigerung für alle damit im Zusammenhang stehenden Informationen wäre also eine Premiere und ein «problematischer Präzedenzfall». Zu diesem Schluss kommt Markus Prazeller in seinem juristischen Gutachten zum vorgeschlagenen Artikel 52c, die der Basler Medienanwalt für Public Eye erstellt hat. Laut seiner Analyse betreibt der Bundesrat damit «Wirtschaftspolitik auf Kosten der Transparenz und des Öffentlichkeitsprinzips». Und das ausgerechnet «im Bereich der Sozialversicherungen, wo erhebliche Kosten für den Staat und die Versicherten anfallen».

Auch politisch kündigt sich Gegenwind für den bundesrätlichen Angriff auf den freien Zugang zu amtlichen Informationen als zentralem demokratischem Gut an. Darauf deutet der Bericht zur Vernehmlassung über diese Massnahme, an der sich 126 Organisationen und Parteien beteiligt haben und demzufolge «die Ausnahme vom Öffentlichkeitsgesetz von einer Mehrheit abgelehnt wurde». Zu dieser Mehrheit gehört neben SP und Grünen die EVP. Aber auch FDP und SVP «finden ein intransparentes System nicht wünschenswert». Selbst Economiesuisse und der Schweizer Gewerbeverband halten die vom Bundesrat vorgeschlagene Zugangsbeschränkung für «unbefriedigend». Und für den Schweizer Gewerkschaftsbund ist der Vorschlag schlicht «eine Kapitulation vor privatwirtschaftlichen Interessen». Public Eye hofft nun, dass dieses Sachgeschäft bald möglichst von einer für solche demokratischen Grundsatzfragen zuständigen Kommission wie etwa der staatspolitischen überprüft wird. 

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