Medikamentenpreise: Für geheime Pharma-Deals missachtet der Bundesrat demokratiepolitische Grundsätze

Ein Hauptgrund für den Prämienschock sind die stetig steigenden Medikamentenpreise, die einen Viertel der Kosten der obligatorischen Grundversicherung ausmachen. Statt auf preisstabiliserende Transparenz setzt der Bundesrat aber auf Hinterzimmer-Vereinbarungen mit der Pharma, und versucht diese Geheimniskrämerei nun sogar via Verordnung am Parlament vorbei zu verankern. Dieses muss dringend eingreifen: 40 National- und Ständerät*innen mit direktem Draht zu Pharmafirmen und Krankenversicherungen sind hier besonders in der Pflicht.

Um die 9 Mia. CHF berappten die Grundversicherungen letztes Jahr für Medikamente, das entspricht einem Viertel ihrer Gesamtausgaben. Generika haben daran nur einen kleinen Anteil, die wahren Kostentreiber sind mit rund 6,8 Mia. CHF patentierte Medikamente. Wie eine kürzlich publizierte Studie von Public Eye zu hochpreisigen Krebsmedikamenten zeigt, verdienen sich Pharmafirmen mit solchen Produkten eine goldene Nase: Wenn die Grundversicherung 1000 CHF bezahlt, wandern bis zu 900 CHF direkt als Profit an die Hersteller.

Um die explodierenden Gesundheitskosten in den Griff zu bekommen, braucht es Transparenz in der Preisgestaltung von patentgeschützten Medikamenten. In der laufenden Revision zum Krankenversicherungsgesetz (KVG) setzt der Bundesrat aber ausgerechnet für diese Präparate auf Preismodelle und geheime Rabatte mit der Pharmaindustrie. Mit dem geplanten Ausschluss aus dem Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) soll der Bevölkerung zudem ein für alle Mal jegliche Einsicht in diese Geheim-Deals verweigert werden. Der Bundesrat macht damit einen Kniefall vor der Pharmabranche, denn die Geheimhaltung dient deren Profitexzessen: Durch fiktive «Schaufensterpreise» werden nämlich diverse Länder gegeneinander ausgespielt, indem die Konzerne jedem dieser Staaten den besten Deal versprechen, aber letztlich niemand weiss, wie viel im Ausland tatsächlich bezahlt wurde. Zur Optimierung ihrer Verkaufszahlen und Profite setzt die Pharma deshalb möglichst hohe Schweizer Preise durch – und bittet so die Grundversicherung und damit uns Prämienzahlende massiv zur Kasse.  

Der Bundesrat versucht zurzeit sogar, vor der parlamentarischen Debatte zum KVG (und daher ohne gesetzliche Grundlage) die Geheim-Deals und die BGÖ-Ausnahmeregelung auf Verordnungsstufe zu verankern. Das zeigt ein Entwurf, der bis letzten Freitag in der Vernehmlassung war und zu dem auch Public Eye Stellung genommen hat. Dieser Umgehungsversuch ist demokratiepolitisch unhaltbar und ein weiterer Präzedenzfall: Ein von Public Eye in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kam nämlich nicht nur zum Schluss, dass «eine umfassende Einschränkung des BGÖ-Zugangsrechts betreffend die Höhe, die Berechnung oder die Modalitäten von Rückerstattungen» systemwidrig wäre, sondern auch dass Geheimhaltungsbestimmungen nicht auf Verordnungsstufe geregelt werden können.

Public Eye nimmt in einem offenen Brief deshalb 40 Parlamentarier*innen aus National- und Ständerat mit direktem Draht zur Pharmabranche und/oder den Krankenversicherungen in die Pflicht. Diese 40 Personen wissen, wie das System funktioniert, müssen sich als Volksvertreter*innen für die Interessen der Prämienzahlenden einsetzen und daher verhindern, dass der Bundesrat die Geheim-Deals mit der Pharma gesetzlich verankert. 

Mehr Infos bei 

Oliver Classen; Mediensprecher, 044 277 79 06, oliver.classen@publiceye.ch 
Gabriela Hertig, Expertin Gesundheitspolitik, 044 277 77 91, gabriela.hertig@publiceye.ch  


Hintergrund: Preismodelle (oder «managed entry agreements») sind Vereinbarungen zwischen dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und Pharmaunternehmen, welche die Modalitäten zur Aufnahme von Medikamenten in die Spezialitätenliste (SL) festlegen, damit die Behandlung von der obligatorischen Krankenversicherung übernommen wird. Dazu gehören Preis, Rabatt und allfällige zusätzliche Studien. Preismodelle sind in der Schweiz auf dem Vormarsch. Das BAG tendiert schon heute stark dazu, geheime Rabatte auszuhandeln. Mit der KVG-Revision will das BAG diese Praxis nachträglich gesetzlich legitimieren.