Nationalrat will ein Rohstoffhan­delsgesetz und die Durch­setzung der Russland-Sanktionen für den Hochrisikosektor

Der Nationalrat hat heute einen Bericht zur Durchsetzung und Kontrolle der Sanktionen gegen Russland im Rohstoffsektor beschlossen. Laut dem Postulat seiner Aussenpolitischen Kommission (APK-N) gefährdet die aktuelle Praxis, welche auf Freiwilligkeit setzt, die Reputation der Schweiz. Der Bundesrat muss nun konkrete Defizite bei den Embargos gegen Erdöl und Kohle aus Russland benennen und beheben. Gestern wurde zudem eine SP-Motion angenommen, die vom Bundesrat gesetzliche Regeln für den Rohstoffhandel verlangen. Dies könnte den Grundstein für eine Aufsichtsbehörde dieses Hochrisikosektors legen, wie sie Public Eye seit bald 10 Jahren fordert.

Der Nationalrat hat heute mit 135 zu 50 Stimmen ein in der APK-N eingereichtes Postulat angenommen, das von Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) und Nicolas Walder (G/GE) vertreten wurde. Dieses fordert einen Bericht darüber, «inwieweit die Sanktionen gegen Russland im Rohstoffsektor derzeit eingehalten werden und wo noch Mängel bestehen». Damit reagiert eine breite parlamentarische Mehrheit endlich auf die zunehmende Kritik im In- und Ausland am laschen Umgang des Bundesrats mit der skandalträchtigen Rohstoffbranche vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine. 

Der grösste politische Aufarbeitungsbedarf besteht beim Handel mit russischem Erdöl, der seit Ende 2022 durch einen Preisdeckel sanktioniert ist. Dieser Mechanismus, der die Einkünfte der russischen Regierung beschränken soll, erzielt seine Wirkung nur, wenn die zuständigen Behörden – in der Schweiz das SECO – auch Kontrollen durchführen. Die Ölhändler in Genf, die noch Anfang 2022 geschätzte 50-60% allen russischen Erdöls verkauften, mussten sich davor jedoch nicht fürchten, wie Recherchen von Public Eye zeigten. Zahlreiche neue Firmen, deren Financiers und Nutzniesser im Verborgenen bleiben, haben diesen intransparenten Sektor unterdessen vollends zur Blackbox gemacht. Hinzu kommt, dass eine Lücke im Embargogesetz Schweizer Unternehmen zu erlauben scheint, die hiesigen Sanktionsbestimmungen mittels vorgeblich unabhängiger Tochtergesellschaften im Ausland zu umgehen. 

Seit April 2022 ebenfalls sanktioniert ist der Handel mit Kohle aus Russland. Public Eye hat gezeigt, dass bis zu diesem Zeitpunkt drei Viertel der russischen Exporte des grössten Klimakillers in Zug und der Ostschweiz abgewickelt wurden. Klärungsbedarf besteht dabei, ob und wie diese Kohlehändler weiter operieren, da deren Geschäftsmodell mit dem Kohleembargo ja eigentlich obsolet geworden ist. 

Die Umgehung von Sanktionen ist allerdings nur das jüngste Risiko, das vom Schweizer Rohstoffhandelsplatz ausgeht. Doch es bedurfte der geopolitischen Verwerfungen im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine, damit der Nationalrat den dringenden Regulierungsbedarf endlich anerkennt. Er tat dies gestern auch mit der Forderung nach einem spezifischen Gesetz für den Rohstoffhandel. Der wichtigste Teil der zu Beginn des Ukrainekriegs eingereichten Motion der SP-Fraktion kam mit 101 zu 89 Stimmen durch die grosse Kammer und muss nun noch vom Ständerat verabschiedet werden. 

Public Eye fordert seit 2014 einen spezifisch auf den Rohstoffsektor ausgerichteten Schweizer Rechtsrahmen und eine staatliche Aufsichtsbehörde, die dessen Umsetzung kontrolliert. Der Nationalrat hat nun die Basis bereitet, um die überfällige Regulierung dieses Hochrisikosektors endlich auf den Weg zu bringen. 

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