Öffentliche Beschaffung: Offener Brief ans Parlament fordert Sozialstandards

Zürich, 17.09.2012 - Die höchst problematische Herkunft von Schweizer Uniformen ist in der Öffentlichkeit angekommen: Knapp 20‘000 Menschen fordern verbindliche gesetzliche Regelungen, damit Bund, Kantone und Gemeinden ihre Berufsbekleidung sozialverträglich produzieren lassen. Die EvB übergibt dazu heute zusammen mit andern NGOs einen offenen Brief ans Parlament. Dieses soll die anstehende Revision des Beschaffungsrechts nutzen, um Nachhaltigkeits- und Sozialkriterien zu verankern.

In nur drei Monaten haben fast 20‘000 Menschen den EvB-Aufruf für eine bessere Regulierung und Kontrolle der öffentlichen Beschaffungsstellen unterschrieben. Prominente Medienberichte über die fragwürdigen Zustände in Produktionsstätten in Mazedonien und Indien haben verdeutlicht, dass alle verantwortlichen Schweizer Akteure mehr Engagement zeigen müssen, um ihren eigenen Vorgaben bezüglich nachhaltiger Produktion und sozialverträglichem Konsum nachzukommen.

Gerade bei armasuisse, die als zuständige Bundesstelle jährlich für rund 50-60 Mio. CHF Textilien und Bekleidung einkauft und sich für die Lieferantenkontrolle bisher vor allem auf Selbstdeklarationen stützt, besteht viel Verbesserungspotenzial. Die SBB wie auch die Post haben hingegen begriffen, dass Eigenauskünfte der Zulieferfirmen als Kontrollnachweis nicht ausreichen. Der gelbe Riese, der jährlich für rund 8 Mio. CHF Berufsbekleidung beschafft, wurde im Juni 2012 Mitglied der Fair Wear Foundation (FWF) und lässt somit seine Beschaffungsaktivitäten am Hauptsitz und in der Produktion umfassend extern kontrollieren. Auch die SBB, die jährlich für rund 2.7 Mio. CHF Bekleidung produzieren lässt, engagiert sich als Mitglied der „Business Social Compliance Initiative“ (BSCI) systematischer als die armasuisse. Im Gegensatz zur Post verpflichtet sich die SBB aber nicht, den NäherInnen ihrer Arbeitskleidung einen Existenzlohn zu bezahlen.

Nationalrat Corrado Pardini hat am 12.9. zusammen mit ParlamentarierInnen der SP, BDP, CVP, FDP und den Grünen eine Motion eingereicht, damit der Bundesrat die Armee zu besseren Kontrollen in der Beschaffung von Bekleidung und Textilien verpflichtet. "Die Schweiz setzt sich international für Arbeits- und Menschenrechte ein. Es kann nicht sein, dass sie diese ausgerechnet bei der eigenen Beschaffung missachtet."

Die EvB übergibt heute gemeinsam mit Brot für alle, Fastenopfer, HELVETAS Swiss Intercooperation, Max Havelaar (Schweiz), Solidar Suisse und Swissfairtrade einen offenen Brief an die Mitglieder des National- und Ständerats und ruft diese auf, in der anstehenden Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen Sozial- und Nachhaltigkeitskriterien sowie deren wirksame Kontrolle gesetzlich zu verankern. Konsumgüter wie Bekleidung und Textilien werden fast ausschliesslich im Ausland produziert, selbst wenn der Sitz des Zwischenhändlers in der Schweiz ist. Die hängige Gesetzesanpassung muss daher soziale Mindestkriterien auch für im Ausland erbrachte Leistungen beinhalten. John Ruggie, UNO-Sonderbeauftragter für Wirtschaft und Menschenrechte, unterstreicht in seinen Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte, dass Staaten im öffentlichen Beschaffungswesen vorbildlich agieren und die Einhaltung und Förderung der Menschenrechte sicherstellen sollen. Mit jährlich rund 32 Milliarden Franken repräsentiert die öffentliche Beschaffung einen substantiellen Teil des Schweizer Staatshaushalts. Die Ausrichtung auf eine konsequent menschenrechtskonforme, umwelt- und sozialverträgliche Beschaffung entlang der gesamten Produktionskette hätte eine entsprechend grosse Signalwirkung.

Die Clean Clothes Campaign (CCC) setzt sich für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in der globalen Bekleidungsindustrie ein. Sie unterhält nationale Kampagnen in 15 europäischen Ländern und ein Netzwerk von 250 Organisationen weltweit. In der Schweiz wird die CCC-Arbeit von der Erklärung von Bern koordiniert und von 19 nationalen NGO mitgetragen.