Rohstoff-Finanzierung: Gefährliche Instrumente entziehen sich Kontrolle durch Banken

In der Geldwäscherei-Bekämpfung lebt die Schweiz weiter im 19. Jahrhundert: Das haben die letzte Woche publizierten «FinCen-Files» wieder gezeigt. Bei der Kontrolle des skandalträchtigen Rohstoffhandels vertraut der Bundesrat trotzdem blindlings auf die Banken. In der Studie «Trade Finance Demystified» analysiert Public Eye die komplexen Finanzinstrumente dieser Hochrisikobranche, deren Chefs sich heute zum traditionellen FT Commodities Summit treffen. Und deckt dabei auf, wie Trafigura, Vitol & Co systematisch politische Regulierungslücken ausnutzen.

Das FinCen-Files genannte Datenleck hat verdächtige Transaktionen im Umfang von 2 Billionen Dollar zu Tage gefördert und damit zugleich riesige Lücken im Kampf gegen Geldwäscherei, Korruption und andere kriminelle Machenschaften aufgedeckt. Dass der Rohstoffhandel für diese Risiken besonders anfällig ist, hat sogar der Bundesrat anerkannt. Die Schweizer Banken, inklusive Kantonalbanken, spielen bei der Finanzierung dieses Sektors trotzdem eine wichtige Rolle: Wie der Report «Trade Finace Demystified» erstmals zeigt, haben sie Glencore, Gunvor, Mercuria, Trafigura und Vitol zwischen 2013 und 2019 rund 17,2 Milliarden Dollar geliehen. Doch wie können die Geldinstitute die rechtmässige Verwendung dieser immensen Kredite kontrollieren?

Unsere Pionierstudie bestätigt die Schlussfolgerung im vom Parlament geforderten Bericht des Bundesrats zu Geldwäschereirisiken im Rohstoffhandel: Die Banken haben gar nicht die Mittel und Möglichkeiten um die Branchenpolizei zu spielen. Zahlreiche Gespräche mit Bankiers, Compliance-Beauftragten und Händlern zeigen eine gefährliche Entwicklung von Finanzinstrumenten und -praktiken, die sich der Bankenkontrolle immer mehr entziehen. Die sehr gängigen Konsortialkredite («Revolving Credit Facilities») etwa können von Handelskonzernen, je nach Situation, als Blankochecks ge- oder missbraucht werden. Die sogenannten Swaps wiederum – der Tausch von Rohöl gegen Benzin etc. – werden direkt mit den staatlichen Unternehmen in den Produktionsländern und folglich völlig unter dem Radar der Banken abgewickelt.

Zudem schlüpfen die grossen Handelshäuser zunehmend selbst in Rolle von Banken und gewähren bereits hoch verschuldeten afrikanischen Staaten riesige Kredite, ohne dabei selbst irgendwelchen Sorgfaltspflichten zu unterliegen. Diese müssen in der Regel mit Rohöl zurückbezahlt werden, was einer Verpfändung der Einnahmen gleichkommt. Der durch die Coronakrise ausgelöste Wertverlust des schwarzen Goldes verschärft die negativen Folgen solcher Deals für die Produktionsländer und deren Bevölkerung. So musste der Tschad kürzlich Glencore um die Aussetzung von Rückzahlungen eines 2013 bezogenen Milliardenkredits ersuchen. All dies zeigt die steigende Notwendigkeit einer Schweizer Rohstoffmarktaufsicht ROHMA, wie sie Public Eye schon vor sechs Jahren entworfen hat.

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