Schweizerisch bilateral statt entwicklungspolitisch multilateral

Bern, 22.06.2004 - Es ist kaum bekannt, dass die Schweiz am Ministertreffen der EFTA-Staaten (Schweiz, Liechtenstein, Norwegen, Island) in Montreux vom 24.-26. Juni ein weiteres bilaterales Freihandelsabkommen (mit dem Libanon) unterzeichnet. Diese Abkommen enthalten Regelungen im Bereich des Geistigen Eigentums, die weit über die WTO-Regelungen hinausgehen und sowohl die Rechte der Bäuerinnen und Bauern als auch das Recht der ärmeren Bevölkerung auf eine bessere Medikamentenversorgung beschneiden. Die Erklärung von Bern und die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke fordern den Verzicht auf solche über die WTO hinausgehenden Regelungen sowie Transparenz über die Verhandlungen.

Während die Verhandlungen in der Welthandelsorganisation WTO stocken, treiben die nördlichen Handelsmächte regionale Freihandelsabkommen mit ausgewählten Entwicklungsländern voran. Auch die Schweiz schliesst im EFTA-Rahmen bereits das sechste solcher Abkommen ab. Weitere Verhandlungen sind mit Ägypten und den südafrikanischen Staaten (SACU) in Gange. Alle abgeschlossenen Abkommen enthalten Bestimmungen, die über die weitreichenden WTO-Bestimmungen hinausgehen. Insbesondere im Bereich des Geistigen Eigentums macht sich die Schweiz für sogenannte TRIPs-Plus Regeln stark. «Damit werden die Rechte der Bäuerinnen und Bauern zur freien Wiederverwendung des Saatgutes eingeschränkt, ebenso wird der freie Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten erschwert. Der Bundesrat widerspricht damit der an der WTO-Ministerkonferenz in Doha unterschriebenen Erklärung, die allen Ländern das Recht zugesteht, Massnahmen zugunsten der öffentlichen Gesundheit zu ergreifen und insbesondere die Medikamentenversorgung für alle Menschen zu fördern», sagte Julien Reinhard von der Déclaration de Berne, Lausanne.

Die Schweiz will auch Themen auf die bilaterale Agenda setzen, die in der WTO sehr umstritten sind. So lehnten die Entwicklungsländer ein Investitionsabkommen in der WTO ab, das Investoren lediglich Rechte zugestehen, aber keine Pflichten auferlegen würde. Auch sind in der WTO erst wenige Entwicklungsländer Liberalisierungspflichten im Dienstleistungssektor eingegangen. «Nun versucht die Schweiz auf bilateralem Weg, Entwicklungsländer dazu zu bringen, ihre Finanzmärkte zu liberalisieren», erläuterte Marianne Hochuli von der Erklärung von Bern, Zürich, «dabei verfolgt die Schweiz einseitig ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen, entwicklungspolitische Aspekte spielen keine Rolle».

«Solche Nord-Süd-Freihandelszonen sind fragwürdig», meinte Peter Niggli, Geschäftsleiter der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke, «ganz im Gegensatz zu präferentiellen Süd-Süd Handelsabkommen ist bei Nord-Südabkommen zu befürchten, dass sie die Entwicklung ärmerer Länder nicht fördern, sondern behindern.»

Die Erklärung von Bern und die Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke fordern von der Schweizer Regierung und vom zuständigen Staatssekretariat für Wirtschaft seco

  • einen transparenten Konsultationsprozess zu den bilateralen Freihandels- und Investitionsabkommen
  • Keine Regeln, die über die WTO-Bestimmungen hinausgehen
  • Keine Themen, die in der WTO von den Entwicklungsländern abgelehnt werden