Wirtschaftskrise: Die WTO ist Teil des Problems, nicht der Lösung

Genf, 01.12.2009 - Entgegen der Behauptung vieler Regierungen, darunter der schweizerischen, hat die Welthandelsorganisation (WTO) sehr wohl zur aktuellen Wirtschafts-, Umwelt- und Ernährungskrise beigetragen. Die Erklärung von Bern und Alliance Sud fordern deshalb eine grundsätzliche WTO-Reform, die auf die realen Bedürfnisse der Menschen, insbesondere der am meisten marginalisierten, eingeht.

Morgen geht die 7. WTO-Ministerkonferenz in Genf zu Ende. Erwartungsgemäss hat die festgefahrene Doha-Runde die Diskussionen dominiert, auch wenn formell keine diesbezüglichen Verhandlungen traktandiert waren. Offiziell haben alle Regierungen ihre Absicht bekräftigt, die Runde so schnell als möglich abzuschliessen. Schliesslich will kein Land für ein Scheitern verantwortlich gemacht werden. Viele Länder aus dem Süden haben jedoch betont, dass bei der Lösung der bestehenden Streitpunkte auf ihre Entwicklungsanliegen eingehen müssten.

Die G33 – eine Gruppe bestehend aus rund 50 Entwicklungsländern – betonte, dass «das multilaterale Handelssystem die Bedürfnisse jener berücksichtigen muss, die durch die Globalisierung an den Rand gedrängt werden.»
Our World Is Not For Sale, ein internationales Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen, dem auch die Erklärung von Bern (EvB) und Alliance Sud angehören, fordert den Abbruch der Doha-Runde und die Rücknahme von WTO-Verpflichtungen, die zur aktuellen Wirtschafts-, Ernährungs-, und Klimakrise beigetragen haben.

«Nicht umsonst hat Bunderätin Leuthard die versammelten Minister aufgefordert, der Welt zu zeigen, dass die WTO Teil der Lösung der aktuellen Wirtschaftskrise ist. Denn weitherum wird die WTO eher als Teil des Problems betrachtet. Es herrscht Konsens, dass die im Rahmen der WTO vorgenommene Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte für den Ausbruch der Krise mitverantwortlich ist,» kommentiert EvB-Handelsexperte Thomas Braunschweig.

Spätestens jetzt müsse die WTO den Regierungen den notwendigen Handlungsspielraum zugestehen, um mittels strengen Regulierungen des Finanzsektors zukünftige Krisen zu verhindern.

Für Isolda Agazzi, der Handelsexpertin von Alliance Sud, ist der Vorschlag, in einer Post-Doha-Runde auch wieder über die sogenannten Singapur-Themen zu verhandeln, nicht akzeptabel. «Eine weitere Liberalisierung bei den Investitionen, den öffentlichen Märkten und dem Wettbewerbsrechts wäre für die Entwicklungsländer nachteilig», sagt die Vertreterin der Hilfswerke. «Es würde ihren wirtschaftspolitischen Handlungsspielraum weiter einschränken, den sie für eine eigenständige Entwicklung dringend brauchen.» Das sei auch der Grund gewesen, warum die Entwicklungsländer die Singapur-Themen schon 2003 zurückwiesen, so Agazzi.