WTO-Ministerkonferenz: Sinnlose Zwängerei

Genf, 01.07.2006 - Die WTO-Verhandlungen, wie sie in den letzten Tagen in Genf stattgefunden haben, haben mit einer Doha-Entwicklungsrunde nicht mehr das geringste zu tun. Die Industrieländer und einige grosse Entwicklungsländer verengen den Blick auf strikte Zollabbauformeln. Auch die Schweiz spielt eine klägliche Rolle und unternimmt keinen Versuch, ein entwicklungs­freundliches multilaterales Handelssystem zu unterstützen. Die Erklärung von Bern fordert einen Neuanfang der Welthandelsdiskussion.

In Genf streiten sich die WTO-Minister vorwiegend um Zollabbauformeln in den Bereichen Landwirtschaft und Industriegüter. Die grossen agrarexportierenden Länder dominieren die Verhandlungen. Somit dreht sich die Diskussion praktisch nur um den möglichen Markt­zugang für grosse Exporteure. Die Anliegen der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die durch einen radikalen Zollabbau und nachfolgenden billigen Importen insbesondere in den Entwicklungsländern ihre Existenz verlieren, sind kein Thema. Auch bei den Industriegü­ern werden die Befürchtungen von Entwicklungsländern nicht angehört: durch den von den Industrieländern geforderten Zollabbau verlieren die Entwicklungsländer die Möglich­keit, ihre noch jungen Industrien vor der erdrückenden Konkurrenz zu schützen. Viele be­fürchten einen immensen Verlust an Arbeitsplätzen und Zolleinnahmen.

«Auch die Schweiz spielt in diesem WTO-Prozess eine klägliche Rolle», kritisiert Marianne Hochuli von der Erklärung von Bern. «Anstatt differenzierte multilaterale Handelsregeln zu unterstützen, die die unterschiedlichen Situationen von Entwicklungsländern berücksichti­gen, verlangt die Schweiz von den Entwicklungsländern anhand einer Einheitsformel einen radikalen Zollabbau bei den Industriegütern sowie Marktöffnungen im Dienstleistungssek­tor».

Die Erklärung von Bern fordert die Schweizer Regierung auf, zu einem Ausweg aus der ver­fahrenen Situation aktiv beizutragen und dabei die Interessen der Entwicklungsländer ins Zentrum zu stellen. Themen wie Ernährungssouveränität, der Schutz von aufstrebenden Industrien sowie das Recht auf eine eigenständige Wirtschaftsentwicklung müssen wieder einen zentralen Stellenwert erhalten.