"Kein Freihandelsabkommen mit China ohne Menschenrechte!"

Referat von Thomas Braunschweig, Verantwortlicher für Handelspolitik bei der Erklärung von Bern, an der Medienkonferenz vom 23. November 2010

Vorausschicken möchte ich, dass die in der Plattform zusammengeschlossenen Organisationen nicht grundsätzlich gegen Freihandel sind. Dieser darf jedoch nicht zum Selbstzweck verkommen. Und Freihandelsabkommen sollten vorzugsweise auf multi- und nicht auf bilateraler Ebene verhandelt und abgeschlossen werden. Denn letztere untergraben mit dem Meistbegünstigungsprinzip einen der zentralen Pfeiler des multilateralen Handelssystems.

Freihandelsabkommen müssen aber in jedem Fall die Menschenrechte ins Zentrum rücken. Denn die Liberalisierung des Handels ist lediglich ein Mittel, das zum übergeordneten Ziel der menschlichen Entwicklung beitragen muss. Der Schutz und die Förderung der Menschenrechte spielt dabei eine zentrale Rolle. Die unverbindliche Erwähnung der Menschenrechte in der Präambel von schweizerischen Freihandelsabkommen ist daher völlig ungenügend – gerade für die Schweiz, die sich bei jeder Gelegenheit für ihr menschenrechtliches Engagement rühmt.

Was es stattdessen braucht – gerade im Fall von China – ist die Aushandlung von Handelsabkommen auf der Basis eines konsequenten Menschenrechtansatzes. Daher fordern die in der Plattform zusammengeschlossenen Organisationen, dass erstens die menschenrechtlichen Auswirkungen von Handelsverträgen vorgängig analysiert werden und dass zweitens verbindliche Menschenrechtsklauseln eingebaut werden. Damit die zivilgesellschaftlichen Organisationen, aber auch das Parlament und die Öffentlichkeit, das bundesrätliche Engagement in Sachen Menschenrechte überprüfen kann, muss ausserdem transparent über die schweizerischen Positionen und Forderungen wie auch den Verhandlungsverlauf informiert werden.

1. Die Forderung nach menschenrechtlichen Folgenabschätzungen

Handelsabkommen können sich negativ auf die Menschenrechte, insbesondere die wirtschaftlichen und sozialen Rechte auswirken. Davor warnen seit Jahren verschiedene UNO-Menschenrechtsgremien, Nichtregierungsorganisationen und zunehmend auch akademische Kreise. So können die über das TRIPS-Abkommen der WTO hinausgehende Forderungen nach einer Stärkung der geistigen Eigentumsrechte (TRIPS-plus) den Zugang von Bauern und Bäuerinnen zu Saatgut einschränken und damit das Recht auf Nahrung gefährden. Dies ist gerade in China von Bedeutung, wo nach wie vor ein Grossteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft lebt und die Armut in ländlichen Gebieten weit verbreitet ist.

Der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Gesundheit hat wiederholt von einer Ausdehnung der geistigen Eigentumsrechte in Freihandelsabkommen gewarnt, da dadurch die Generikaproduktion und somit der Zugang zu kostengünstigen Medikamenten eingeschränkt wird. Auch der durch Freihandelsabkommen forcierte Rohstoffabbau kann in China zu Menschenrechtsverletzungen führen. Dies insbesondere bei in Abbaugebieten lebenden Minderheiten.

Es ist zwar in erster Linie die chinesische Regierung, die die Rechte ihrer Bevölkerung schützen muss. Wenn jedoch die Schweiz mit China ein Freihandelsabkommen unterzeichnet, bestehen für sie völkerrechtliche Verpflichtungen dafür zu sorgen, dass dieses Vertragswerk nicht Menschenrechtsverletzungen Vorschub leistet. Ganz abgesehen davon sprechen auch die entwicklungspolitische Vernunft und das moralische Gebot für menschenrechtskonforme Abkommen. Und menschenrechtliche Folgenabschätzungen können dazu einen wichtigen Beitrag leisten, indem sich die Verhandlungen an deren Ergebnisse orientieren.

2. Die Forderung nach verbindlichen Menschenrechtsklauseln

Wie erwähnt gehören verbindliche Menschenrechtsklauseln bei Handelsabkommen der EU und anderen Ländern längst zur Regel. Als normativen Massstab für solche Menschenrechtsklauseln zur Sicherung von arbeitsrechtlichen Minimalstandards können die ILO-Kernkonventionen herangezogen werden. Dies bedingt, dass Produktionsbedingungen als handelsrechtlich relevant anerkannt werden müssen. Ganz entscheidend sind auch verbindliche Überprüfungsmechanismen, die durch unabhängige Expertengruppen und kompetente Organisationen der Zivilgesellschaft sichergestellt werden können. Für die Durchsetzung der von den Parteien eingegangenen Verpflichtungen sollte dann das allgemeine Streitschlichtungsverfahren von FHA beigezogen werden.

Weiter können Menschenrechtsklauseln mit entsprechenden Anreizsystemen dazu dienen, die Menschenrechtssituation in China positiv zu beeinflussen und im Falle gravierender Verstösse gegen fundamentale Rechte Massnahmen zu ergreifen.

Es ist höchste Zeit, dass die Schweiz ihre Aussenpolitik kohärenter gestaltet. Und dazu gehört die Einsicht, dass Handelspolitik eben auch Menschenrechtspolitik ist!