Medikamente für alle und Ernährungssicherheit vor Patentschutz - Referat von Marianne Hochuli, EvB

In den Verhandlungen zum TRIPS-Abkommen sind nach wie vor zwei Themenbereiche in heftiger Diskussion: der Zugang zu Medikamenten für alle sowie der Zugang zu natürlichen Ressourcen.

1) Medikamente für alle

Im November 2001 verabschiedeten die Minister der WTO-Mitgliedstaaten in Doha eine spezielle Erklärung zum TRIPS-Abkommen und zur öffentlichen Gesundheit. Paragraph 4 der Erklärung von Doha stellt eindeutig den Vorrang des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gegenüber dem Patentschutz fest und erlaubt den WTO-Mitgliedern, den ungehinderten Zugang aller Menschen zu Medikamenten sicherzustellen.

In der Doha Erklärung wird ebenfalls der Auftrag erteilt, eine rasche Lösung zu suchen, um die durch das TRIPS-Abkommen geschaffenen rechtlichen Hindernisse zu beseitigen, damit die Staaten mit ungenügenden oder ohne eigene Produktionsstätten die Möglichkeit erhalten, über Zwangslizenzen Medikamente in einem Drittland zu beziehen. Und es muss für diese Drittländer rechtlich möglich sein, jenen Ländern ohne eigene Produktionskapazitäten Generika zu liefern.

Die Lösung dieses Problems ist wichtig, denn ab 2005 werden mehrere Länder, etwa Indien und Ägypten, die bisher jeweils rasch sehr günstige Generika produzieren und kommerzialisieren konnten, dies nicht mehr tun können. Ab 2005 werden nämlich ihre Regierungen durch die Bestimmungen des TRIPS-Abkommens dazu verpflichtet, pharmazeutischen Produkten einen mindestens 20-jährigen Patentschutz zu gewähren. Von dieser Klausel profitieren in erster Linie die Pharmakonzerne der Industrieländer, die im Besitz der überwiegenden Mehrzahl von Arzneimittelpatenten sind. Wie die jüngsten Erfahrungen im Bereich von HIV/Aids gezeigt haben, führt erst der Wettbewerbsdruck durch billigere Generika dazu, dass den armen Ländern Preisnachlässe gewährt werden, wodurch die Bevölkerung Zugang zu den Medikamenten erhält.

Unter dem Druck der Pharmalobby haben die Industrieländer (darunter die Schweiz) systematisch versucht, die Lösung durch eine restriktive Interpretation der Deklaration von Doha zu beschränken oder sie kompliziert und aufwändig zu gestalten, damit deren Anwendung möglichst stark eingeschränkt wird. Statt eine schnelle, praktikable und dauerhafte Lösung zu erarbeiten, entstand am 16. Dezember 2002 ein provisorischer, missverständlicher Kompromissvorschlag

Die Schweizer Koordination gerechter Welthandel fordert noch einmal, dass sich die Schweiz für eine Lösung einsetzt, welche:

  • permanent, dauerhaft und ökonomisch sinnvoll ist

  • gerecht, schnell und einfach zu implementieren ist

  • alle Entwicklungsländer einschliesst

  • sämtliche Probleme der öffentlichen Gesundheit einschliesst und nicht auf gewisse Krankheiten limitiert wird

2) Keine Patente auf Leben: Überprüfung des Artikels 27.3b
Worum geht es?

Besonders umstritten war bereits während der Aushandlung des TRIPS-Abkommens der Artikel 27.3b, der die Ausnahmen der Patentierbarkeit regelt. Er sieht vor, dass „Pflanzen und Tiere mit Ausnahme von Mikroorganismen, sowie im wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren, mit Ausnahme von nichtbiologischen und mikrobiologischen Verfahren“, von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden können. Werden Pflanzensorten von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, müssen sie zumindest durch ein wirksames System eigener Art (sui generis) geschützt werden. Diese Formulierung öffnet insbesondere der Patentierung gentechnologisch veränderter Organismen Tür und Tor. Der Schutz von geistigen Eigentumsrechten auf lebenden Organismen ist für viele Länder des Südens neu und widerspricht ihrer gegenwärtigen Praxis und ihrem politischen Willen. Die Meinungsverschiedenheiten bei der Formulierung des Art. 27.3b führten dazu, dass eine Bestimmung in den Text eingefügt wurde, die ein spezielles Überprüfungsverfahren dieser Regelung 4 Jahre nach Inkrafttreten (d.h. 1999) verlangt. Diese Überprüfung ist bis heute in Gang und zeichnet sich durch einen markanten Interessengegensatz zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern aus.

Jüngste Entwicklungen

Die Überprüfung des Artikel 27.3b stand lange im Schatten der Auseinandersetzungen über den Zugang der Länder ohne eigene Pharmaindustrie zu Generika. Erst nachdem diese Verhandlung Anfang 2003 in eine Sackgasse geriet, waren die Entwicklungsländer wieder in der Lage, ihre knappen Ressourcen im TRIPS-Bereich für dieses Thema einzusetzen. Sowohl die Afrika-Gruppe als auch eine Ländergruppe um Indien und Brasilien reichten im Juni 2003 neue Papiere im TRIPS-Rat ein, die die Schweizer Koordination gerechter Welthandel unterstützt.

Position der Schweiz

Die Schweiz wehrt sich bis heute gegen jede Änderung des TRIPS-Abkommens und damit auch des Artikels 27.3b. Leben soll weiterhin patentiert werden können. Immerhin wird inzwischen anerkannt, dass es einen Zielkonflikt zwischen dem TRIPS-Abkommen und der Biodiversitätskonvention gibt. Die Schweiz glaubt aber, dass dieser ohne Anpassung des TRIPS gelöst werden kann. Die Tatsache, dass die Biopiraterie ungehindert weitergeht, und keine wirklich ernsthaften Anstrengungen unternommen werden um diese zu unterbinden, beweist, dass die Haltung der Schweiz nicht akzeptabel ist.

Forderungen Schweizer Koordination gerechter Welthandel

Die Schweizer Koordination gerechter Welthandel fordert, das Abkommen mit folgender Zielsetzung zu überarbeiten:

  • Die Patentierung von Lebensformen soll unterbunden werden. Wir fordern deshalb den Ausschluss von Patenten für Menschen, Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen sowie von ihren Bestandteilen, wie auch von sämtlichen natürlichen Prozessen, die zur Erzeugung von Tieren, Pflanzen und anderen lebenden Organismen dienen.

  • Es muss sichergestellt werden, dass das TRIPS-Abkommen nicht den Zielsetzungen anderer internationaler Abkommen, insbesondere der Biodiversitätskonvention und des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft widerspricht.

26. August 2003

Marianne Hochuli, Erklärung von Bern

Julien Reinhard, Déclaration de Berne