Offener Brief an die Handels- bzw. Aussenminister der vier EFTA-Staaten

An: Ansgar Gabrielsen, Minister für Handel und Industrie (Norwegen)
Joseph Deiss, Bundesrat (Schweiz)
Halldór Ásgrímsson, Aussenminister (Island)
Ernst Walch, Aussenminister (Fürstentum Lichtenstein)


Während des EFTA-Ministertreffens in Kristiansand am 26./27. Juni werden die Handels- und Aussenminister ein weiteres Handelsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und einem Entwicklungsland (Chile) unterzeichen, welches Bestimmungen über den Schutz der geistigen Eigentumsrechte enthält, die weit über die WTO-Regeln hinausgehen. Wir – vier Nichtregierungsorganisationen aus den vier EFTA-Staaten – lehnen diese Politik vehement ab. Es gibt keinen Grund, weshalb ein Entwicklungsland Verpflichtungen eingehen sollte, die über die schon weitreichenden Bestimmungen des WTO TRIPS-Abkommens hinausgehen.

Das Abkommen mit Chile ist das fünfte solche Abkommen, das die EFTA-Staaten mit einem Entwicklungsland abschliessen. Zuvor wurden Abkommen mit Marokko (1997), der Palästinensischen Autonomiebehörde (1998), Mexiko (2000) und Jordanien (2001) unterzeichnet. Alle diese Abkommen enthalten äusserst problematische «TRIPS-plus»-Bestimmungen. Gegenwärtig verhandeln EFTA-Vertreter solche Handelsverträge mit Ägypten, Libanon, Südafrika und Tunesien. Wir befürchten, dass die EFTA-Staaten auch in diesen Fällen ungebührlichen Druck auf diese Länder ausüben werden, Bestimmungen über die Patentierung von Leben einzuschliessen. Wir ersuchen Sie eindringlich, diese Politik sofort zu stoppen.

Was steht auf dem Spiel ? Die EFTA-Staaten drängen Entwicklungsländer dazu, internationalen Konventionen wie der UPOV 91 oder dem Budapest-Vertrag beizutreten, welche die Rechte der Bauern einschränken und die Patentierung von Leben, wie z.B. Mikroorganismen erleichtern. Wir sind überzeugt, dass diese Politik nicht im Interesse der Bauern, v.a. der Kleinbauern in diesen Entwicklungsländern ist. So wird z.B. deren Recht, Saatgut frei untereinander austauschen zu dürfen, eingeschränkt.

Diese «TRIPS-plus» Politik, die auch von anderen Industrieländern wie den USA und der EU verfolgt wird, ist von der britischen Kommission für geistige Eigentumsrechte in ihrem Bericht vom September 2002 kritisiert worden. Am 7. Mai 2003 nahm die britische Regierung wie folgt Stellung zum Bericht:
«… Wir gehen auch damit einig, dass bilaterale und andere Abkommen in der Regel die Länder nicht dazu verpflichten sollten, Bestimmungen oder Fahrpläne betreffend geistige Eigentumsrechte zu übernehmen, die über das TRIPS hinausgehen. Wir für unseren Teil werden uns dafür einsetzen, dass die Abkommen der EU den Entwicklungsländern keine Verpflichtungen auferlegen, die über das TRIPS hinausgehen.»

Wir erwarten von den EFTA-Ministern, dass sie sich dieser Politik anschliessen und einen sofortigen Stopp von weiteren «TRIPS-plus» Abkommen verfügen.

Hochachtungsvoll
Lars Løvold, Geschäftsführer, Rainforest Foundation, Norwegen,
Bernhard Herold, Erklärung von Bern, Schweiz
Pétur Hauksson, Chairman, Mannvernd, Island
Regula Mosberger, Geschäftsführerin, Liechtensteinische Gesellschaft für Umweltschutz (LGU)