Sonntag: "Rohstoffplatz Schweiz: 'Die freiwilligen Massnahmen genügen nicht'"

Auch die katholische Zeitschrift „Sonntag“ beleuchtet die Rolle der Schweiz als weltgrösste Rohstoffdrehscheibe. Steuerbegünstigte Giga-Umsätze stehen mangelnder Transparenz gegenüber. Die EvB fordert deshalb mehr Regulierung und kritisiert die faulen Ausreden von Branchenvertretern.

Rohstoffhandel in der Schweiz- Im Herzen des globalen Blutkreislaufes

Die Rohstoffhandelsbranche ist in den letzten Jahren wegen fehlender Transparenz vermehrt in die Kritik geraten. Auch hierzulande macht sie gut abgeschirmt und steuerbegünstigtgigantische Umsätze. Das führt zu immer lauteren Vorwürfen an die Adresse der politischenSchweiz. Von enormem Wachstum, grosser Verantwortung und ein wenig Einsicht.

Von Judith Hochstrasser

Am Anfang muss eine Zahl stehen: 1420Prozent. Um so viel ist in der Schweiz der Handel mit Rohstoffen von 2001 bis 2011 gemäss der Nichtregierungsorganisation «Erklärungvon Bern» (EvB) gewachsen. Wie ist dieser Anstieg zu erklären? «Seit fünfzehn Jahren hat dieGlobalisierung massiv zugenommen», sagt Botschafter Claude Wild, Leiter der Abteilung«Menschliche Sicherheit» beim EDA. Und: «DieRohstoffunternehmen sind quasi das Blut der Globalisierung, sie verknüpfen diejenigen Länder, in denen man Rohstoffe braucht, mit denjenigen Ländern, in denen diese abgebaut werden.»

Das Ende des Ostblocks Anfang der neunziger Jahre habe ausserdem dazu geführt, dass viele Unternehmen der ehemaligen Sowjetunion sich an anderen Orten niedergelassen hätten. Sowohl Michael Fahrbach, Verantwortlicher für das Ressort Nachhaltigkeit beim zweitgrössten Rohstoffkonzernsder Schweiz Glencore, als auch Andreas Missbach von der «EvB» verweisen zudem auf das enorme Wirtschafswachstum in China, das den Markt angeheizt habe. Gemessen am Wert wird ein Viertel des «Blutes der Globalisierung» in der Schweiz gehandelt. Damit ist sie die wichtigste Rohstoffdrehscheibe der Welt. Laut der Branchenverbände beträgt der Marktanteil der Schweizer Rohstoffkonzerne beiden Metallen sechzig, beim Kaffee ebenfalls sechzig und beim Rohöl immerhin 35 Prozent.

Über den sogenannten Rohstoff-Cluster in Genf läuft ein Drittel des Rohöls. Der umsatzstärkste Schweizer Konzern Vitol hat hierebenso seinen Sitz wie die Nummer drei der Schweizer Rohstoffgiganten, Trafigura. Das Zuger Unternehmen Glencore generiert hierzulande den zweithöchsten Umsatz und dominiert weltweit den Handel mit Kupfer, Kohle und Zink. Warum gerade die Schweiz für die Rohstoffhandelsbrancheso attraktiv ist, dafür gibt es unterschiedliche Erklärungen, die von Nichtregierungs-Organisationen wie der «EvB» oft als Vorwürfe vorgetragen werden. Die Unternehmen müssen in der Schweiz deutlich weniger Steuern bezahlen als in anderen westlichen Staaten, in denen die Rohstoffbranche auch stark ist, wie zum Beispiel in den Niederlanden oder in Grossbritannien. Noch günstiger ist es für die Firmen allerdings in Singapur, dem wichtigsten Konkurrenten der Schweiz in dieser Branche.

Die Politik tiefer Steuersätze trägt zum sogenannten Rohstofffluch bei, dazu also, dass die Länder, in denen Rohstoffe abgebaut werden, notabene meist Entwicklungsländer, kaum etwas daran verdienen, die Unternehmen und die Staaten, in denen diese ihren Hauptsitz haben, dafür umso mehr. Dank ausgeklügelter Systeme werden die Geschäfte oft so betrieben, dass die Konzerne dort, wo hohe Steuern anfallen würden, offiziell kaum Gewinne zu verzeichnen haben, hohe Gewinne dagegen dort, wo der Steuersatz tief ist.

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