Unkalkulierbare Risiken: die Rolle der Credit Suisse

Der Investmentbankabteilung der Credit Suisse (Credit Suisse First Boston, CSFB) kommt zum jetzigen Zeitpunkt eine Schlüsselrolle für die Expansion des «Sachalin II»-Projektes zu. Die CSFB ist «Financial Advisor» von Sakhalin Energy. In dieser Funktion berät sie das Konsortium bei der Zusammenstellung des Finanzierungspaketes. Als Ergänzung zur Finanzierung durch öffentliche Finanzinstitute wie die Europäische Entwicklungsbank wird die CSFB in den nächsten Wochen versuchen, ein Konsortium von privaten Geschäftsbanken für eine milliardenschwere Teilfinanzierung zu gewinnen. Sobald die CSFB Banken gefunden hat, die die Finanzierung des Projektes übernehmen, endet ihr Mandat. Sie erhält ein Honorar, das von der Höhe der gesprochenen Kreditsumme abhängt und das die Boni der direkt Beteiligten bestimmt. Die CSFB wird sich danach höchstwahrscheinlich nicht am Kreditkonsortium für Sachalin II beteiligen.

Welcher Umgang mit Risiken?

Der aufblasbare Wal auf dem Paradeplatz kommt für die Credit Suisse nicht überraschend. Die Erklärung von Bern und andere NGOs sind seit über einem Jahr mit der Bank über dieses Projekt im Gespräch. Dabei zeigte sich uns, dass die Finanzwelt einen Umgang mit Risiken pflegt, der den ökologischen Gefahren nicht angemessen ist. «Sachalin II» ist ein «high risk» Projekt. Im Ölsektor wird es mehr und mehr zum Normalfall, dass in ökologisch, sozial oder politisch hochsensible Gebiete vorgedrungen wird, weil dort die letzten grossen Lagerstätten fossiler Brennstoffe liegen.


Banken pflegen einen alltäglichen Umgang mit Risiken, es ist Ihr Kerngeschäft. Sie orientieren sich dabei an der «risk return ratio», also dem Verhältnis eines Risikos, beispielsweise dass ein Kunde bankrott geht, zum erwarteten Gewinn aus dem Geschäft mit diesem Kunden. Die ökologischen und sozialen Risiken, mit denen wir es in Sachalin zu tun haben, gehören einer ganz anderen Risikokategorie an. Bei den ökologischen Grossrisiken geht es weniger um die Eintretenswahrscheinlichkeit, als um das Ausmass der Auswirkungen, sollte das Risiko tatsächlich eintreten. Im Falle von Sachalin II wären das Aussterben des Grauwals und einiger Fischarten sowie der Kulturverlust der Indigenen irreversibel, so dass diese Risiken vernünftigerweise nicht gegen irgend einen Gewinn abgewogen werden können. Für den Umgang mit ökologischen Grossrisiken wird deshalb das Vorsorgeprinzip empfohlen, das besagt, dass bestimmte Risiken, unabhängig von der Eintretenswahrscheinlichkeit eine Verhaltensänderung erfordern.


Die Walexperten der Weltnaturschutzunion IUCN haben genau darauf abgezielt, als sie unter dem Titel «advice» schrieben: «(T)he most precautionary approach would be to suspend present operations and delay further development of the oil and gas reserves in the vicinity of the gray whale feeding grounds off Sakhalin, and especially the critical nearshore feeding ground that is used preferentially by mothers and calves.»

Die Collevecchio Deklaration und das Vorsorgeprinzip

Mit der Collevecchio-Deklaration über die Verantwortung von Banken haben über hundert Nicht-Regierungsorganisationen (NGO’s) im Januar 2003 eine gemeinsame Position über die Bedeutung des Finanzsektors für die Behinderung oder Förderung von Nachhaltigkeit entwickelt. Eines der sieben zentralen Prinzipien für veantwortliche Banken ist demnach das Prinzip, keinen Schaden anzurichten («do no harm»): «Banken müssen sich verpflichten, keinen Schaden an Mensch und Umwelt zu verursachen (...). Finanzinstitute sollen Richtlinien, Verfahren und Normen schaffen, welche auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, das besagt, dass jede Beeinträchtigung von Umwelt und Gesellschaft möglichst klein zu halten ist und alle Geschäfte, welche im Widerspruch mit Nachhaltigkeit stehen zu vermeiden sind.

Und die Equator Principles

Es ist vielleicht zum heutigen Zeitpunkt noch zuviel verlangt, von Banken zu erwarten, dass sie die Deklarationen der Nicht-Regierungsorganisationen ernst nehmen und umsetzen. Doch die Finanzinstitute haben sich unter dem Druck von NGOs bewegt und eigene Standards für Projektfinanzierungen entwickelt: die Equator Principles. Mit den Equator Principles haben sich mittlerweile mehr als zwei Dutzend Banken darauf verpflichtet, die so genannten «safeguard policies», also die Umwelt- und Sozialstandards der International Finance Corporation (IFC) zu respektieren. IFC ist derjenige Teil der Weltbank, der für die Finanzierung von privatwirtschaftlichen Projekten zuständig ist.


Die Credit Suisse gehörte im Juni 2003 zu den Erstunterzeichnerinnen der Equator Principles. Streng juristisch fällt ihr Beratungsmandat nicht unter den Geltungsbereich der Prinzipien, da diese nur von Projektfinanzierungen sprechen (bei einem Wert von über 50 Millionen Dollar). Nicht-Regierungsorganisationen haben den beschränkten Geltungsbereich jedoch immer kritisiert. Es ist tatsächlich nicht einzusehen, warum eine Bank ein kontroverses Projekt beraten soll, wenn sie es nach den eigenen Standards nicht finanzieren dürfte. Zudem tritt der Financial Advisor früher im Projektzyklus auf, er hätte also potentiell einen grösseren Einfluss, wenn er gegenüber dem Kunden ebenfalls umwelt- und Sozialstandards einfordern würde.


Wie steht es mit der Equator-Tauglichkeit von Sachalin II? Die Equator Principles verlangen die Einhaltung der IFC-Standards zu Ökosystemen (Natural Habitats, IFC Safeguard Policy OP 4.04). Das Vorsorge-Prinzip ist teil dieses Standards. Die Gefährdung der Nahrungsgründe der Grauwale durch die Förderplattform, die Auswirkungen der Pipeline auf die Laichgründe gefährderter Fische und das Deponieren von Schutt vom Bau der Flüssiggasanlage in der Aniva-Bucht verletzen deshalb die Prinzipien.


Die IFC-Standards zu indigenen Völkern müssten ebenfalls eingehalten werden. Dazu sollten alle Betroffenen auf angemessene Art informiert und beteiligt werden und es sollte ein Plan erstellt werden, um negative Auswirkungen auf Indigene zu vermeiden. Auch in diesen Punkten bricht Sachalin II die Equator Principles.


Das Beratungsmandat der CSFB für die Öl- und Gasförderung auf Sachalin zeigt, dass die Credit Suisse die Prinzipien ungenügend umsetzt und dass sich die Kultur innerhalb der Bank noch nicht gewandelt hat. Dies ist aber nötig, damit die Equator Principles einen wirklichen Unterschied machen.