Replik zur Glencore-Stellungnahme

Public Eye berichtete am 10. November 2020 über die katastrophalen Zustände in der von einer Glencore-Tochterfirma betriebenen Mine im bolivianischen Hochland. Glencore veröffentlichte dazu am 13. November eine Stellungnahme, worin sie Aussagen von Public Eye zurückweist – aber keinerlei Argumente liefert, die die Hauptkritikpunkte inhaltlich entkräften. 

Aussage Glencore

Glencore weist die irreführenden und falschen Behauptungen des Public Eye Berichts vom 10. November 2020 über unsere Mine Porco (“Porco”) in Bolivien sowie das dazugehörige Video, welches vom Initiativkomitee der Unternehmensverantwortungs-Initiative verbreitet wurde, entschieden zurück.

Entgegnung Public Eye

Glencore weist unsere «Behauptungen» pauschal als «irreführend» und «falsch» zurück, liefert aber keinerlei Argumente, die unsere Hauptkritikpunkte inhaltlich entkräften würden:

  1. dass Glencore Erz von Kooperativen bezieht, obwohl der Konzern als Betreiber der Porco-Mine wissen muss, dass die Kooperativen dort unter prekären Sicherheitsbedingungen arbeiten und Minderjährige beschäftigen (schliesslich bestimmt er selbst mit, in welchen Sektoren die Kooperativen überhaupt tätig sein können, und übt so Kontrolle über sie aus) und dass
  2. Gewässer unterhalb der Mine Porco aufgrund der Minenaktivitäten in der Glencore-Mine schwer kontaminiert sind.

Aussage Glencore

Porco ist eine Zink- und Bleimine in Bolivien. Sie wird von der Sociedad Minera Illapa SA ("Illapa") betrieben, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Glencore. 

Glencore toleriert keine Kinderarbeit in ihren Betrieben. Unsere Minen in Bolivien beschäftigen keine Minderjährigen und setzen das globale Gesundheits- und Sicherheitsprogramm von Glencore um. 

Die Behauptung, dass die Porco-Mine Gewässer verunreinigt und die Erde austrocknet, ist ebenfalls falsch: Porco liegt 4200 m.ü.M. in den bolivianischen Anden. Die Verfügbarkeit von Wasser und die Bodenfruchtbarkeit sind in dieser hochgebirgigen Region eine Herausforderung. Das steht nicht im Zusammenhang mit dem Betrieb der Porco-Mine. Die Betriebsgesellschaft Illapa agiert im Einklang mit dem bolivianischen Umweltgesetz und untersteht der regelmässigen Kontrolle der Umweltbehörde. Diese überprüft auch die Einhaltung der Wasserbestimmungen. Im September 2020 hat die lokale Behörde Bedenken bezüglich der Wasserqualität Illapa mitgeteilt. Illapa arbeitet mit der Behörde zusammen und wird falls nötig entsprechende Massnahmen treffen. 


WEITERE HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Glencore in Bolivien

Glencore ist seit 2004 in Bolivien präsent. Unsere hundertprozentige Tochtergesellschaft Sociedad Minera Illapa SA («Illapa») betreibt zwei Zink- und Bleiminen, darunter die Mine Porco. Wir beschäftigen beinahe 1500 Mitarbeitende und Auftragnehmer in Bolivien, davon circa. 320 in Porco. 2019 haben wir mit Steuer- und Lizenzgebührenzahlungen in Höhe von über USD 23,3 Millionen in Bolivien gezahlt. Darüber hinaus haben wir USD 1,2 Millionen in die nachhaltige Entwicklung der lokalen Gemeinden investiert. 

Sowohl Glencore als auch die Tochtergesellschaft Illapa verpflichten sich, verantwortungsvoll und in Übereinstimmung mit sämtlichen geltenden Gesetzen und Vorschriften zu agieren. Dazu gehört, die Auswirkungen unserer Tätigkeiten auf die Umwelt und die lokalen Gemeinden zu minimieren. 

Unabhängige Bergbau-Kooperativen in Bolivien

In Bolivien koexistieren Bergbau-Kooperativen und industrielle Betriebe. Sie dominieren gar den bolivianischen Bergbausektor. Bei den Bergbau-Kooperativen handelt sich um Gruppen unabhängiger Bergbauarbeiter, die Mineralien aus verlassenen Minenschächten oder aus Abbaugebieten, die ihnen von der staatlichen Minengesellschaft “COMIBOL” zugeteilt werden, fördern. 

Die Bergbau-Kooperativen sind unabhängig. Weder Glencore noch unsere lokalen Betriebe üben eine Kontrolle über diese aus. Es ist industriellen Bergbauunternehmen, einschliesslich Illapa, verboten, mit den Kooperativen Vereinbarungen über eine gemeinsame Nutzung von Abbaugebieten einzugehen. Folglich übt Glencore oder seine Tochtergesellschaften keinen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in den Bergbau-Kooperativen aus.

Entgegnung Public Eye

Die Glencore-Tochterfirma informiert Comibol, die staatliche Bergbaugesellschaft, sobald sie den Abbau in bestimmten Teilen des Konzessionsgebiets beendet hat. Comibol kann danach diese Gebiete Kooperativen zuweisen. Gemäss des 2013 mit Comibol abgeschlossenen Assoziationsvertrag für den Betrieb der Mine Porco stehen «alle operativen Aspekte» unter der «exklusiven, umfassenden und vollen Verantwortung» von Illapa. Der Konzern bestimmt also durchaus mit, wo die Kooperativen arbeiten dürfen. Zudem darf der Konzern seit 2014 keine direkten Verträge mit Kooperativen mehr abschliessen, Public Eye wurde jedoch von verschiedenen Gesprächspartnern (Kooperativen, Verband der Kooperativen Fedecomin) informiert, es gebe direkte, informelle Absprachen und Übereinkommen zwischen Illapa und den Kooperativen. Und: Operieren Minenarbeiter von Kooperativen in Gebieten, die Illapa zugewiesen sind, zeigt der Konzern diese konsequent an.

Zudem passieren die Arbeiter der Kooperativen auf dem Weg zu ihren Stollen einen Kontrollpunkt der Glencore-Tochterfirma, wo etwa überprüft wird, ob sie Helme tragen. Es findet also durchaus eine gewisse Kontrolle statt.

Wenn Glencore schreibt, der Konzern und dessen Tochtergesellschaften übten «keinen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen in den Bergbau-Kooperativen aus», nimmt er sich (als Abnehmer des von den Kooperativen geförderten Erzes) einerseits unzulässigerweise aus der Verantwortung und widerspricht andererseits seiner eigenen Tochterfirma, die 2019 in einem Bericht an den Global Compact der Uno schrieb, man stehe in Bezug auf «wichtige Themen wie Sicherheitsausrüstung, Einsatz von Kinderarbeit und Umweltbelastung» regelmässig im Dialog mit den Kooperativen. Die Glencore-Tochterfirma räumt also ein, dass diese Probleme bestehen – während sie gleichzeitig einen Grossteil des von diesen geförderten Erzes einkauft.

Glencore hat uns auf Anfrage geschrieben, die Abnahmeverträge mit den Kooperativen unterlägen einer sorgfältigen Prüfung «in Bezug auf wirtschaftliche, rechtliche und betriebliche Aspekte», inklusive Sicherheitsaspekte und dem Risiko von Kinderarbeit. Offensichtlich ist diese Prüfung eine Farce. Vor Ort ist es schlicht nicht zu übersehen, dass ein Grossteil der Kooperativen-Arbeiter über keine adäquate Sicherheitsausrüstung verfügt und viele von ihnen offensichtlich nicht volljährig sind. Nähme Glencore seine Verantwortung gemäss internationalen Standards wahr, so würde der Konzern solche Probleme nicht beschönigen sondern klar benennen und transparent über alle getroffenen Massnahmen und deren Wirkung berichten. Hingegen würde eine abrupte Aufkündigung der Zusammenarbeit mit den Kooperativen Glencores menschenrechtlicher Verantwortung nicht gerecht.

Aussage Glencore: Internationale Arbeitsstandards

Die Behauptung, Porco beschäftige direkt oder indirekt Minderjährige, ist falsch. Der Bericht und das begleitende Video beziehen sich auf Arbeiter, die weder direkt noch indirekt für Porco arbeiten. Wir tolerieren keine Kinderarbeit in unseren weltweiten Betrieben. Auch in Bolivien nicht.

Unsere Betriebe in Bolivien sind verpflichtet, unsere globalen Richtlinien zu Arbeit, Gesundheit, Sicherheit, Umwelt, Umgang mit Gemeinden und Menschenrechte umzusetzen. Diese Richtlinien orientieren sich an internationalen Standards. Dazu gehören die Konvention der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie die Leitprinzipien der UNO. 

Entgegnung Public Eye

Glencore bezichtigt uns, fälschlicherweise zu behaupten, «Porco» beschäftige «direkt oder indirekt» Minderjährige. Es ist unklar, worauf sich Glencore hier mit dem Begriff «Porco» bezieht – auf die Mine namens Porco, in der sowohl die Glencore-Tochterfirma Illapa S.A. (als offizielle Betreiberin) als auch die Kooperativen tätig sind, oder einzig auf die direkten Aktivivitäten der Glencore-Tochter. Was wir festgestellt haben, ist Folgendes: Bei den in der Mine Porco tätigen Kooperativen arbeiten viele Minderjährige – was der Glencore-Tochter, die in der gleichen Mine operiert, bekannt sein muss. Trotzdem kauft die Glencore-Tochter den Kooperativen einen grossen Teil des von diesen geförderten Erzes ab. Zudem bestimmt Illapa zumindest indirekt mit, wo die Kooperativen tätig sein dürfen. Public Eye geht deshalb davon aus, dass faktisch ein Kontrollverhältnis zwischen Illapa und den Kooperativen besteht.

Aussage Glencore: Gesundheits- und Sicherheitsstandards

Die Behauptungen bezüglich der Gesundheits- und Sicherheitsstandards in Porco sind falsch. 
Die Sicherheit unserer Mitarbeiter ist für uns zentral. Für unsere weltweit über 150 Betriebe einschliesslich Bolivien steht Sicherheit an oberster Stelle. Unsere Betriebe setzen ausnahmslos unser globales Gesundheits- und Sicherheitsprogramm SAFEWORK um.

Entgegnung Public Eye

Auch hier stellt sich die Frage, worauf sich Glencore hier mit der Formulierung «in Porco» bezieht – auf die Aktivitäten der Glencore-Tochter selbst oder jene der Kooperativen. Klar ist: Bei den Kooperativen, denen Glencore einen grossen Teil des von ihnen geförderten Erzes abkauft, verfügt ein Grossteil der Arbeiter über keine adäquate Sicherheitsausrüstung, regelmässig kommt es zu schweren, manchmal tödlichen Unfällen, Unfallopfer sind weitgehend auf sich alleine gestellt.  

Aussage Glencore: Verbesserung der lokalen Arbeitspraktiken

Im Einklang mit Glencore’s Lieferantenvorschriften (Supplier Standards) kaufen unsere bolivianischen Betriebe Erze von den lokalen Bergbau-Kooperativen. Unsere Lieferantenvorschriften basieren auf den OECD-Leitlinien für verantwortungsbewusste Mineralienbeschaffung (OECD Due Diligence Guidance for the Responsible Sourcing of Minerals). 

Um die Sicherheits- und Umweltpraktiken der lokalen Kooperativen zu stärken, arbeiten wir mit der lokalen Nichtregierungsorganisation ‘Cumbre del Sajama’ zusammen. 

Entgegnung Public Eye

In den «Glencore Supplier Standards» steht, man erwarte von den Zulieferern eine «Nulltoleranz gegenüber jeglicher Form moderner Sklaverei, einschliesslich (…) Kinderarbeit» und dass sie für «eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung einschliesslich angemessener persönlicher Schutzausrüstung» sorgten. Beides ist bei den in der Mine Porco tätigen Kooperativen offensichtlich nicht der Fall – und folglich können von den Kooperativen auch nicht «im Einklang mit den Supplier Standards» Erze eingekauft werden.

Aussage Glencore: Umweltverantwortung

Die Behauptung, dass Porco Gewässer verunreinigt und die Erde austrocknet, ist falsch. Porco liegt auf 4,200 m.ü.M. in den bolivianischen Anden. Wasserverfügbarkeit und Bodenfruchtbarkeit sind in dieser hochgebirgigen Region eine grosse Herausforderung. Die Betriebsgesellschaft Illapa betreibt die Porco-Mine verantwortungsvoll und unter strenger Einhaltung der regulatorischen Vorschriften sowie den globalen Standards von Glencore. 

Die Betriebsgesellschaft Illapa legt halbjährlich Berichte über ihre Aktivitäten vor. Dazu gehören auch Informationen zur Wasser-, Boden- und Luftqualität. Ein unabhängiges externes Labor führt regelmässig Kontrollen durch. Die Ergebnisse werden von den Umweltbehörden Boliviens, dem Ministerio de Medio Ambiente y Agua sowie vom Bergbauministerium überprüft. 

Die letzte Prüfung wurde im März 2020 vom Ministerio de Medio Ambiente durchgeführt. Die Betriebsgesellschaft Illapa hat die entsprechende Empfehlung zur Verbesserung der Entwässerung von saurem Gestein aufgenommen. Im September 2020 teilte die lokale Behörde Illapa Bedenken bezüglich der Wasserqualität mit. Illapa steht mit den bolivianischen Behörden in Kontakt und prüft nötige Massnahmen. 

Entgegnung Public Eye

Glencore schreibt pauschal: «Die Behauptung, dass Porco Gewässer verunreinigt und die Erde austrocknet, ist falsch». Letzteres («die Erde austrocknet») wurde nie behauptet. Und für ersteres («Gewässer verunreinigt») gibt es mehrere Belege: Mehrere Dörfer unterhalb der Mine sind heute aufgrund des verunreinigten Wassers praktisch verwaist.

In einer Studie des Municio Porco wurden im Fluss «Agua Castilla» unterhalb der Mine Zink-, Eisen- und Mangan-Rückstände festgestellt, die um das Sechs- bis Fünfzigfache über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser liegen und eindeutig auf die Minenaktivitäten zurückzuführen sind. Die Behörden stellten bei der von Glencore erwähnten Prüfung der Anlagen von Illapa im vergangenen März fest, dass Zink- und Bleilager nicht ausreichend abgedeckt waren, saure Grubenwässer unzureichend zurückgehalten würden und das Wasser unterhalb des von der Firma betriebenen Rückhaltebeckens kontaminiert war. Glencore räumt selbst ein, man habe Empfehlungen zur Verbesserung der Wasserqualität aufgenommen und prüfe nötige Massnahmen bezüglich der Wasserqualität – was der pauschalen Behauptung widerspricht, dass die Mine keine Gewässer verunreinige.

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