Und wieder grüsst das Datenleck – Banken, nutzt die Chance!

Das Leak Cyprus Confidential legt offen, wie zypriotische Beratungsunternehmen russischen Oligarchen halfen, ihr Geld anzulegen und aktiv Sanktionen zu umgehen. Das Datenleck betrifft auch Konten bei Schweizer Banken. Der Schweizer Finanzplatz kann solche Publikationen nicht verhindern und sollte daher die Erkenntnisse nutzen, die sich aus den Datenlecks ergeben.

Am 14. November 2023 publizierte das Netzwerk investigativer Journalisten ICIJ seine Analyse von mehr als 3,6 Millionen Dokumenten sechs zypriotischer Finanzberatungsunternehmen. Die Dokumente enthielten vor allem Informationen zu russischen Oligarchen und ihren Vermögen, mehrheitlich aus der Zeit vor der Invasion der Ukraine. Auch Schweizer Finanzinstitute sind vertreten.

Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim

Die Publikation reiht sich ein in eine lange Reihe ähnlicher «Leaks» und «Papers», von Panama über Paradise bis Suisse Secrets.

Wie immer gibt es einige Fälle, in denen klar strafbares Verhalten im Raum steht, dieses Mal die Umgehung der Russland-Sanktionen. Andere Fälle stechen aufgrund ihrer gesellschaftlichen Bedeutung heraus, insbesondere ein anscheinend von Oligarchen bezahlter Journalist.

Und es stellen sich Fragen: Wie genau nehmen es die Beteiligten mit der Abklärung der wirtschaftlich Berechtigten, wenn ein mit Wladimir Putin befreundeter Cellist Multimillionär ist oder ein Oligarch sein Unternehmen kurz vor seiner Sanktionierung auf seine Frau überträgt?

Schliesslich gibt es die grosse Masse der Fälle, in denen sich zwar alle Beteiligten rechtmässig verhalten haben mögen, bei denen man sich aber trotzdem fragt: «Macht man so was?» Ist es legitim, wenn Berater*innen Unternehmen oder reichen Einzelpersonen helfen, durch komplexe Unternehmensgebilde Steuern zu vermeiden? 

Und warum sind im Wesentlichen immer dieselben Schweizer Akteure involviert?

Macht man so was?

Für Hans-Peter Portmann, FDP-Nationalrat und Vizepräsident des Zürcher Bankenverbandes, ist die Antwort klar: «Ich empfehle jeder Bank, ein Ethik-Gremium zu schaffen. Man kann aber keiner Bank einen Vorwurf machen, wenn sie in ihrer freien wirtschaftlichen Überlegung nicht über die Regulierung hinaus eigene weitere ethische Standards anwendet.»

Zwar kann man ethisches Empfinden und Verhalten nur bedingt erzwingen. Die Öffentlichkeit hat jedoch ein klares Empfinden dafür, dass nicht alles, was legal ist, auch legitim ist. Stossendes Verhalten schadet der Reputation, was auch finanzielle Auswirkungen haben kann. Die FINMA fordert daher seit Jahren, dass die Finanzinstitute nicht nur ihre Rechts-, sondern auch die Reputationsrisiken begrenzen.

Die bewusste Beurteilung, ob ein bestimmtes Geschäft der eigenen Reputation schaden könnte, ist daher auch unabhängig von Sanktionslisten ein Teil des vorausschauenden Wirtschaftens.

Eine hohe Reputation ist ein Wert, nicht ein Hindernis. 

Es liegt in der Verantwortung aller Akteure, die Reputation des Finanzplatzes so zu erhalten und zu stärken, dass künftig publizierte Problemfälle in der Schweizer und der internationalen Öffentlichkeit als Ausnahme gewertet werden, nicht als Bestätigung eines schlechten Rufs.

Auch am Paradeplatz in Zürich ist nicht alles Gold, was glänzt...

Um hierhin zu kommen, muss der Finanzplatz nicht nur die gesetzlichen Mindestregeln einhalten, sondern aktiv und innovativ Geldwäscherei bekämpfen.

Vom Problem zur Chance

Zu einem innovativen Ansatz gehört vor allem, die Empfehlungen internationaler Gremien wie der FATF als Hilfestellung zu sehen und nicht minimalistisch, sondern optimal umzusetzen. Die Akteure des Finanzplatzes — Banken, Versicherer, Behörden, Berater*innen, Anwält*innen — sollten in einen Austausch treten, wie sie Geldwäscherei, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsumgehungen künftig noch besser und effizienter verhindern können — im Rahmen bestehender oder auf der Basis neuer Gesetze.

Dies kann einen Informationsaustausch über problematische Kund*innen zwischen Banken umfassen, eine zeitnähere Information seitens der FINMA über erkannte neue Muster und Best Practices, die gemeinsame Identifikation problematischer Fallgestaltungen, die grenzüberschreitende Anwendung der Sanktionen auch auf rechtlich selbständige Tochtergesellschaften im Ausland, Einschränkungen bei der als stossend empfundenen «Steueroptimierung» und ähnliche Massnahmen. Die Verantwortung sollte in der Konzernleitung angesiedelt werden, die den «Tone from the Top» prägt und so die Gewichtung ökonomischer, ökologischer und ethischer Ziele vorgibt.

Ein solcher innovativer Fokus auf die Geldwäschereiprävention muss auch ethische Aspekte und die daraus resultierenden Reputationsrisiken umfassen. Dann wird es zwar vermutlich auch in Zukunft Leaks geben, zumal es in der Regel um ältere bis sehr alte Dokumente handelt – aber so werden sie zunehmend weniger schädlich für die Reputation der Schweiz.

«Um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung.» (Antoine de Saint-Exupéry) 

Britta Delmas arbeitet seit September 2023 im Bereich Rohstoffe und Finanzen bei Public Eye. Zuvor war sie 25 Jahre als Juristin für und bei Schweizer Banken und der FINMA tätig. 

Kontakt: britta.delmas@publiceye.ch 

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