Die TRIPS-plus-Bestimmungen

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Die Schweiz und ihre Pharmaindustrie geben sich mit den im TRIPS-Abkommen festgelegten Mindeststandards nicht zufrieden: In ihrer Aussenpolitik setzt sich die Schweiz kontinuierlich für einen noch besseren Schutz des geistigen Eigentums ein, insbesondere in bilateralen Freihandelsabkommen (FHA) mit mehreren Schwellenländern.

Gegenstand der Verhandlungen sind Klauseln zum geistigen Eigentum, die über den Mindeststandard der WTO hinausgehen – die sogenannten TRIPS-plus-Bestimmungen. Diese gefährden den Zugang benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu Medikamenten.

Problematische TRIPS-plus-Bestimmungen

Das mit Indien verhandelte bilaterale Abkommen ist beispielhaft für den problematischen Charakter der TRIPS-plus-Bestimmungen: Das Abkommen wird hinter verschlossenen Türen unter der Ägide der europäischen Freihandelsassoziation EFTA (mit den Mitgliedern Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein) verhandelt. Es sieht einen verstärkten Schutz geistigen Eigentums vor, beispielsweise eine längere Gültigkeitsdauer von Patenten, einen Investitionsschutz für multinationale Unternehmen in diesem Land sowie das ausschliessliche Recht an experimentellen Daten zur Bewilligung von Arzneimitteln (Testdatenschutz).

Mit dem Testdatenschutz können Pharmamultis den indischen Arzneimittel­bewilligungsbehörden systematisch verbieten, gleichwertige Generika anhand von Daten aus ihren klinischen Studien zu bewilligen, und das während mindestens fünf Jahren nach der Markteinführung des Produkts (in der Schweiz sind es 10 Jahre). Während der Gültigkeitsdauer eines Patents wird die Herstellung von Generika in der Regel nicht zugelassen. Mit dieser Bestimmung dauert es aber noch länger, bis erschwingliche Medikamente auf dem Markt erhältlich sind.

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Der Verkauf von günstigeren Generika ermöglicht vielen Menschen den Zugang zu dringend benötigten Medikamenten, die sie sich sonst nicht leisten könnten.

Bei ähnlichen Verhandlungen mit Indonesien fordert die Schweiz ebenfalls einen verstärkten Schutz des geistigen Eigentums. NGOs aus der Schweiz und Norwegen haben sich unter der Leitung von Public Eye in einem offenen Brief an Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann gewandt und die Schweiz aufgefordert, keine Bestimmungen über das WTO TRIPS-Abkommen hinaus auszuhandeln.

Die TRIPS-plus-Bestimmungen sind ein weiteres Beispiel für den Unwillen der reichen Länder – darunter auch der Schweiz – die wirtschaftlich schwächsten Länder trotz Anerkennung ihres besonderen Status dauerhaft und vorbehaltlos von der Umsetzung der WTO-Bestimmungen zum Schutz geistigen Eigentums zu befreien.