Willkommen im Pharmaland Schweiz

© Mark Henley/Panos
Die im März 2012 in Kraft getretene schweizerische Gesundheitsaussenpolitik (GAP) soll Synergien stärken und eine kohärente Stellung der Bundesämter in den relevanten internationalen Foren fördern. Wie in der Vorgängerversion sind die Widersprüche aber eklatant: Die Schweiz will einerseits die Einhaltung der Menschenrechte garantieren und andererseits die Interessen von Schweizer Akteuren, beispielsweise der Pharmaindustrie, wahren. Mit ihrer Patentierungspolitik behindert letztere jedoch den Zugang der Länder des Südens zu erschwinglichen lebenswichtigen Medikamenten.

Die Schweizerische Gesundheitsaussenpolitik strebt zwanzig Ziele an, die grösstenteils die Länder des Südens betreffen. Sie wurde laut ihren Urhebern erarbeitet, um aktuelle Herausforderungen im Gesundheitswesen anzugehen. Die Weichen dazu stellte eine Übereinkunft mit ähnlichen Zielen, die 2006 zwischen dem Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten und dem Eidgenössischen Departement des Innern geschlossen wurde. Zum ersten Mal bemühten sich die Bundesbehörden, die verschiedenen Akteure aus der Zivilgesellschaft, der Forschung und dem Privatsektor anzuhören, bevor sie die neue Politik verabschiedeten. In diesem Rahmen konnte Public Eye ihre Kritik anbringen, insbesondere im Zusammenhang mit der wichtigen Frage des Primats der Menschenrechte gegenüber der Profitlogik. Leider umsonst, denn die Schlussversion von 2012 erwähnt zwar die Anliegen der verschiedenen Akteure, die Erwähnung ist jedoch vor allem kosmetischer Natur.

Nicht nur in der Gesundheitspolitik, sondern auch bspw. in Verhandlungen zu bilateralen Freihandelsabkommen oder anlässlich von Stellungnahmen bei internationalen Organisationen tut sich die Schweiz schwer damit, sich von ihrer ambivalenten Haltung zu lösen.

Tatsächlich sind klare Stellungnahmen gegen das auf Patenten gründende Geschäftsmodell der Pharmafirmen selten.

Die Schweiz lässt politischen Mut vermissen – sie schliesst sich häufig einfach der Position der EU oder der Vereinigten Staaten an, die ebenfalls die Interessen ihrer Arzneimittelindustrie verteidigen.

Obwohl die Schweiz lange Zeit eine erbitterte Gegnerin von Patenten auf pharmazeutischen Produkten war, verteidigt sie diese heute vehement. Somit spricht die Schweiz Schwellenländern wie Indien das Recht ab, dasselbe Rezept anzuwenden, dank dem die Basler Chemie heute blüht. Anfang des letzten Jahrhunderts wurde diese nämlich gross, indem sie in Nachbarländern hergestellte Medikamente nachahmte oder kopierte – das heisst: mit Generika. Die Gewährung von Patenten auf pharmazeutischen Produkten wurde in der Schweiz erst ab den 70er-Jahren eingeführt.

Zwangslizenzen – ein politisches Werkzeug zur Senkung der Medikamentenpreise

Patente sind heute einer der wichtigsten Gründe für die hohen Medikamentenpreise und verhelfen den Pharmaunternehmen zu Monopolstellungen und exklusiven Absatzmärkten. Regierungsbemühungen zur Kosteneindämmung und Kostenkontrolle sind zahnlos, denn mit Unternehmen in Monopolstellung ist der Verhandlungsspielraum extrem limitiert, respektive nicht gegeben – auch deshalb, weil die Behörden die realen Forschungs- und Entwicklungskosten (F&E) der Produkte nicht kennen (Geschäftsgeheimnis).

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Als Sitzstaat einiger der grössten Pharmaunternehmen – Novartis und Roche – kommt der Schweiz eine besondere Verantwortung zu. Doch statt den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten zu gewährleisten, hat die Schweizer Regierung bisher vor allem die Interessen der Pharmaindustrie vertreten, die zusammen mit der Chemiebranche fast die Hälfte der Schweizer Exportwirtschaft ausmachen. Vor allem in den internationalen Verhandlungen über die Anwendung der TRIPS-Flexibilitäten vertrat die Schweizer Regierung bisher eine sehr restriktive Position und übte auch politischen sowie wirtschaftlichen Druck auf Länder aus, die versuchten, den im TRIPS-Vertrag garantierten Spielraum (Flexibilitäten) auf „Schweizer“ Medikamente anzuwenden.

Jedoch hat die Schweizer Regierung mit dem Instrument der Zwangslizenzen durchaus einen grossen Spielraum, der es ihr ermöglichen würde, Ländern des globalen Südens den Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten zu erleichtern und auch in der Schweiz eine nachhaltige Gesundheitsversorgung für alle zu ermöglichen und Rationierungsentscheide zu vermeiden. Mit einer solchen Massnahme würde sie auch ein starkes Signal aussenden, und könnte international Nachahmer finden – und so Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten für Millionen von Menschen schaffen.